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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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den Eindruck, den diese ernsten und würdigen
Umgebungen auf mich machten, einigermaßen
mitzutheilen, muß ich hier mit der Schilde¬
rung meines Geburtsortes vorgreifen, wie er
sich in seinen verschiedenen Theilen allmählich
vor mir entwickelte. Am liebsten spazirte ich
auf der großen Mainbrücke. Ihre Länge,
ihre Festigkeit, ihr gutes Ansehen machte sie
zu einem bemerkenswerthen Bauwerk; auch
ist es aus früherer Zeit beynahe das einzige
Denkmal jener Vorsorge, welche die weltliche
Obrigkeit ihren Bürgern schuldig ist. Der
schöne Fluß auf- und abwärts zog meine Bli¬
cke nach sich; und wenn auf dem Brücken¬
kreuz der goldene Hahn im Sonnenschein
glänzte, so war es mir immer eine erfreuliche
Empfindung. Gewöhnlich ward alsdann durch
Sachsenhausen spazirt, und die Ueberfahrt für
einen Kreuzer gar behaglich genossen. Da
befand man sich nun wieder diesseits, da schlich
man zum Weinmarkte, bewunderte den Me¬
chanismus der Krahne, wenn Waaren aus¬

den Eindruck, den dieſe ernſten und wuͤrdigen
Umgebungen auf mich machten, einigermaßen
mitzutheilen, muß ich hier mit der Schilde¬
rung meines Geburtsortes vorgreifen, wie er
ſich in ſeinen verſchiedenen Theilen allmaͤhlich
vor mir entwickelte. Am liebſten ſpazirte ich
auf der großen Mainbruͤcke. Ihre Laͤnge,
ihre Feſtigkeit, ihr gutes Anſehen machte ſie
zu einem bemerkenswerthen Bauwerk; auch
iſt es aus fruͤherer Zeit beynahe das einzige
Denkmal jener Vorſorge, welche die weltliche
Obrigkeit ihren Buͤrgern ſchuldig iſt. Der
ſchoͤne Fluß auf- und abwaͤrts zog meine Bli¬
cke nach ſich; und wenn auf dem Bruͤcken¬
kreuz der goldene Hahn im Sonnenſchein
glaͤnzte, ſo war es mir immer eine erfreuliche
Empfindung. Gewoͤhnlich ward alsdann durch
Sachſenhauſen ſpazirt, und die Ueberfahrt fuͤr
einen Kreuzer gar behaglich genoſſen. Da
befand man ſich nun wieder dieſſeits, da ſchlich
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[20/0036] den Eindruck, den dieſe ernſten und wuͤrdigen Umgebungen auf mich machten, einigermaßen mitzutheilen, muß ich hier mit der Schilde¬ rung meines Geburtsortes vorgreifen, wie er ſich in ſeinen verſchiedenen Theilen allmaͤhlich vor mir entwickelte. Am liebſten ſpazirte ich auf der großen Mainbruͤcke. Ihre Laͤnge, ihre Feſtigkeit, ihr gutes Anſehen machte ſie zu einem bemerkenswerthen Bauwerk; auch iſt es aus fruͤherer Zeit beynahe das einzige Denkmal jener Vorſorge, welche die weltliche Obrigkeit ihren Buͤrgern ſchuldig iſt. Der ſchoͤne Fluß auf- und abwaͤrts zog meine Bli¬ cke nach ſich; und wenn auf dem Bruͤcken¬ kreuz der goldene Hahn im Sonnenſchein glaͤnzte, ſo war es mir immer eine erfreuliche Empfindung. Gewoͤhnlich ward alsdann durch Sachſenhauſen ſpazirt, und die Ueberfahrt fuͤr einen Kreuzer gar behaglich genoſſen. Da befand man ſich nun wieder dieſſeits, da ſchlich man zum Weinmarkte, bewunderte den Me¬ chanismus der Krahne, wenn Waaren aus¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/36>, abgerufen am 23.11.2024.