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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Beutelchen blicken, aus welchem er die Schau¬
münzen hervorzog; er winkte mir, trat eine
Stufe herunter und reichte mir einen solchen
Silberling. Meine Freude war groß, obgleich
Andre diese einem Nicht-Schulknaben gewährte
Gabe außer aller Ordnung fanden. Allein dar¬
an war dem guten Alten wenig gelegen, der
überhaupt den Sonderling und zwar in einer
auffallenden Weise spielte. Er hatte als Schul¬
mann einen sehr guten Ruf und verstand sein
Handwerk, ob ihm gleich das Alter solches aus¬
zuüben nicht mehr ganz gestattete. Aber bey¬
nahe noch mehr als durch eigene Gebrechlichkeit
fühlte er sich durch äußere Umstände gehindert,
und wie ich schon früher wußte, war er weder
mit dem Consistorium, noch den Scholarchen,
noch den Geistlichen, noch auch den Lehrern
zufrieden. Seinem Naturell, das sich zum
Aufpassen auf Fehler und Mängel und zur
Satire hinneigte ließ er sowohl in Pro¬
grammen als in öffentlichen Reden freyen Lauf,
und wie Lucian fast der einzige Schriftsteller

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Beutelchen blicken, aus welchem er die Schau¬
muͤnzen hervorzog; er winkte mir, trat eine
Stufe herunter und reichte mir einen ſolchen
Silberling. Meine Freude war groß, obgleich
Andre dieſe einem Nicht-Schulknaben gewaͤhrte
Gabe außer aller Ordnung fanden. Allein dar¬
an war dem guten Alten wenig gelegen, der
uͤberhaupt den Sonderling und zwar in einer
auffallenden Weiſe ſpielte. Er hatte als Schul¬
mann einen ſehr guten Ruf und verſtand ſein
Handwerk, ob ihm gleich das Alter ſolches aus¬
zuuͤben nicht mehr ganz geſtattete. Aber bey¬
nahe noch mehr als durch eigene Gebrechlichkeit
fuͤhlte er ſich durch aͤußere Umſtaͤnde gehindert,
und wie ich ſchon fruͤher wußte, war er weder
mit dem Conſiſtorium, noch den Scholarchen,
noch den Geiſtlichen, noch auch den Lehrern
zufrieden. Seinem Naturell, das ſich zum
Aufpaſſen auf Fehler und Maͤngel und zur
Satire hinneigte ließ er ſowohl in Pro¬
grammen als in oͤffentlichen Reden freyen Lauf,
und wie Lucian faſt der einzige Schriftſteller

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[291/0307] Beutelchen blicken, aus welchem er die Schau¬ muͤnzen hervorzog; er winkte mir, trat eine Stufe herunter und reichte mir einen ſolchen Silberling. Meine Freude war groß, obgleich Andre dieſe einem Nicht-Schulknaben gewaͤhrte Gabe außer aller Ordnung fanden. Allein dar¬ an war dem guten Alten wenig gelegen, der uͤberhaupt den Sonderling und zwar in einer auffallenden Weiſe ſpielte. Er hatte als Schul¬ mann einen ſehr guten Ruf und verſtand ſein Handwerk, ob ihm gleich das Alter ſolches aus¬ zuuͤben nicht mehr ganz geſtattete. Aber bey¬ nahe noch mehr als durch eigene Gebrechlichkeit fuͤhlte er ſich durch aͤußere Umſtaͤnde gehindert, und wie ich ſchon fruͤher wußte, war er weder mit dem Conſiſtorium, noch den Scholarchen, noch den Geiſtlichen, noch auch den Lehrern zufrieden. Seinem Naturell, das ſich zum Aufpaſſen auf Fehler und Maͤngel und zur Satire hinneigte ließ er ſowohl in Pro¬ grammen als in oͤffentlichen Reden freyen Lauf, und wie Lucian faſt der einzige Schriftſteller 19 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/307>, abgerufen am 25.11.2024.