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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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dennoch nicht weniger beschwerlich ward. Die
römischen Prospecte nämlich, welche in dem
alten Hause, in schwarze Stäbe oben und
unten eingefaßt, an den Wänden mehrere
Jahre gehangen hatten, waren durch Licht,
Staub und Rauch sehr vergilbt, und durch
die Fliegen nicht wenig unscheinbar geworden.
War nun eine solche Unreinlichkeit in dem
neuen Hause nicht zulässig, so hatten diese
Bilder für meinen Vater auch durch seine
längere Entferntheit von den vorgestellten Ge¬
genden an Werth gewonnen. Denn im An¬
fange dienen uns dergleichen Abbildungen
die erst kurz vorher empfangenen Eindrücke
aufzufrischen und zu beleben. Sie scheinen
uns gering gegen diese und meistens nur ein
trauriges Surrogat. Verlischt hingegen das
Andenken der Urgestalten immer mehr und
mehr, so treten die Nachbildungen unver¬
merkt an ihre Stelle, sie werden uns so
theuer als es jene waren, und was wir An¬
fangs misgeachtet, erwirbt sich nunmehr

dennoch nicht weniger beſchwerlich ward. Die
roͤmiſchen Proſpecte naͤmlich, welche in dem
alten Hauſe, in ſchwarze Staͤbe oben und
unten eingefaßt, an den Waͤnden mehrere
Jahre gehangen hatten, waren durch Licht,
Staub und Rauch ſehr vergilbt, und durch
die Fliegen nicht wenig unſcheinbar geworden.
War nun eine ſolche Unreinlichkeit in dem
neuen Hauſe nicht zulaͤſſig, ſo hatten dieſe
Bilder fuͤr meinen Vater auch durch ſeine
laͤngere Entferntheit von den vorgeſtellten Ge¬
genden an Werth gewonnen. Denn im An¬
fange dienen uns dergleichen Abbildungen
die erſt kurz vorher empfangenen Eindruͤcke
aufzufriſchen und zu beleben. Sie ſcheinen
uns gering gegen dieſe und meiſtens nur ein
trauriges Surrogat. Verliſcht hingegen das
Andenken der Urgeſtalten immer mehr und
mehr, ſo treten die Nachbildungen unver¬
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[282/0298] dennoch nicht weniger beſchwerlich ward. Die roͤmiſchen Proſpecte naͤmlich, welche in dem alten Hauſe, in ſchwarze Staͤbe oben und unten eingefaßt, an den Waͤnden mehrere Jahre gehangen hatten, waren durch Licht, Staub und Rauch ſehr vergilbt, und durch die Fliegen nicht wenig unſcheinbar geworden. War nun eine ſolche Unreinlichkeit in dem neuen Hauſe nicht zulaͤſſig, ſo hatten dieſe Bilder fuͤr meinen Vater auch durch ſeine laͤngere Entferntheit von den vorgeſtellten Ge¬ genden an Werth gewonnen. Denn im An¬ fange dienen uns dergleichen Abbildungen die erſt kurz vorher empfangenen Eindruͤcke aufzufriſchen und zu beleben. Sie ſcheinen uns gering gegen dieſe und meiſtens nur ein trauriges Surrogat. Verliſcht hingegen das Andenken der Urgeſtalten immer mehr und mehr, ſo treten die Nachbildungen unver¬ merkt an ihre Stelle, ſie werden uns ſo theuer als es jene waren, und was wir An¬ fangs misgeachtet, erwirbt ſich nunmehr

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/298>, abgerufen am 22.11.2024.