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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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wie er die Finger zu bezeichnen pflegte, die
Fakchen und Gakchen, wie er z. B. die No¬
ten f und g, die Fiekchen und Giekchen,
wie er fis und gis benannte, waren auf ein¬
mal wieder vorhanden und machten die wun¬
dersamsten Männerchen. Mein junger Freund
kam nicht aus dem Lachen, und freute sich,
daß man auf eine so lustige Weise so viel
lernen könne. Er schwur, daß er seinen
Aeltern keine Ruhe lassen würde, bis sie
ihm einen solchen vortrefflichen Mann zum
Lehrer gegeben.

Und so war mir, nach den Grundsätzen
einer neuern Erziehungslehre, der Weg zu
zwey Künsten früh genug eröffnet, blos auf
gut Glück, ohne Ueberzeugung, daß ein an¬
gebornes Talent mich darin weiter fördern
könne. Zeichnen müsse Jedermann lernen,
behauptete mein Vater, und verehrte deshalb
besonders Kaiser Maxmilian, welcher dieses
ausdrücklich solle befohlen haben. Auch hielt

wie er die Finger zu bezeichnen pflegte, die
Fakchen und Gakchen, wie er z. B. die No¬
ten f und g, die Fiekchen und Giekchen,
wie er fis und gis benannte, waren auf ein¬
mal wieder vorhanden und machten die wun¬
derſamſten Maͤnnerchen. Mein junger Freund
kam nicht aus dem Lachen, und freute ſich,
daß man auf eine ſo luſtige Weiſe ſo viel
lernen koͤnne. Er ſchwur, daß er ſeinen
Aeltern keine Ruhe laſſen wuͤrde, bis ſie
ihm einen ſolchen vortrefflichen Mann zum
Lehrer gegeben.

Und ſo war mir, nach den Grundſaͤtzen
einer neuern Erziehungslehre, der Weg zu
zwey Kuͤnſten fruͤh genug eroͤffnet, blos auf
gut Gluͤck, ohne Ueberzeugung, daß ein an¬
gebornes Talent mich darin weiter foͤrdern
koͤnne. Zeichnen muͤſſe Jedermann lernen,
behauptete mein Vater, und verehrte deshalb
beſonders Kaiſer Maxmilian, welcher dieſes
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[271/0287] wie er die Finger zu bezeichnen pflegte, die Fakchen und Gakchen, wie er z. B. die No¬ ten f und g, die Fiekchen und Giekchen, wie er fis und gis benannte, waren auf ein¬ mal wieder vorhanden und machten die wun¬ derſamſten Maͤnnerchen. Mein junger Freund kam nicht aus dem Lachen, und freute ſich, daß man auf eine ſo luſtige Weiſe ſo viel lernen koͤnne. Er ſchwur, daß er ſeinen Aeltern keine Ruhe laſſen wuͤrde, bis ſie ihm einen ſolchen vortrefflichen Mann zum Lehrer gegeben. Und ſo war mir, nach den Grundſaͤtzen einer neuern Erziehungslehre, der Weg zu zwey Kuͤnſten fruͤh genug eroͤffnet, blos auf gut Gluͤck, ohne Ueberzeugung, daß ein an¬ gebornes Talent mich darin weiter foͤrdern koͤnne. Zeichnen muͤſſe Jedermann lernen, behauptete mein Vater, und verehrte deshalb beſonders Kaiſer Maxmilian, welcher dieſes ausdruͤcklich ſolle befohlen haben. Auch hielt

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/287>, abgerufen am 02.09.2024.