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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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verfahren sollten. Er copirte also einige
Köpfe des Piazzetta, nach dessen bekann¬
ten Blättern in klein Octav, mit englischem
Bleystift auf das feinste holländische Papier.
Er beobachtete dabey nicht allein die größte
Reinlichkeit im Umriß, sondern ahmte auch
die Schraffirung des Kupferstichs aufs genauste
nach, mit einer leichten Hand, nur allzu
leise, da er denn, weil er die Härte vermei¬
den wollte, keine Haltung in seine Blätter
brachte. Doch waren sie durchaus zart und
gleichförmig. Sein anhaltender unermüdlicher
Fleiß ging so weit, daß er die ganze ansehn¬
liche Sammlung nach allen ihren Nummern
durchzeichnete, indessen wir Kinder von ei¬
nem Kopf zum andern sprangen, und uns
nur die auswählten, die uns gefielen.

Um diese Zeit ward auch der schon längst
in Berathung gezogne Vorsatz, uns in der
Musik unterrichten zu lassen, ausgeführt; und
zwar verdient der letzte Anstoß dazu wohl

verfahren ſollten. Er copirte alſo einige
Koͤpfe des Piazzetta, nach deſſen bekann¬
ten Blaͤttern in klein Octav, mit engliſchem
Bleyſtift auf das feinſte hollaͤndiſche Papier.
Er beobachtete dabey nicht allein die groͤßte
Reinlichkeit im Umriß, ſondern ahmte auch
die Schraffirung des Kupferſtichs aufs genauſte
nach, mit einer leichten Hand, nur allzu
leiſe, da er denn, weil er die Haͤrte vermei¬
den wollte, keine Haltung in ſeine Blaͤtter
brachte. Doch waren ſie durchaus zart und
gleichfoͤrmig. Sein anhaltender unermuͤdlicher
Fleiß ging ſo weit, daß er die ganze anſehn¬
liche Sammlung nach allen ihren Nummern
durchzeichnete, indeſſen wir Kinder von ei¬
nem Kopf zum andern ſprangen, und uns
nur die auswaͤhlten, die uns gefielen.

Um dieſe Zeit ward auch der ſchon laͤngſt
in Berathung gezogne Vorſatz, uns in der
Muſik unterrichten zu laſſen, ausgefuͤhrt; und
zwar verdient der letzte Anſtoß dazu wohl

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[267/0283] verfahren ſollten. Er copirte alſo einige Koͤpfe des Piazzetta, nach deſſen bekann¬ ten Blaͤttern in klein Octav, mit engliſchem Bleyſtift auf das feinſte hollaͤndiſche Papier. Er beobachtete dabey nicht allein die groͤßte Reinlichkeit im Umriß, ſondern ahmte auch die Schraffirung des Kupferſtichs aufs genauſte nach, mit einer leichten Hand, nur allzu leiſe, da er denn, weil er die Haͤrte vermei¬ den wollte, keine Haltung in ſeine Blaͤtter brachte. Doch waren ſie durchaus zart und gleichfoͤrmig. Sein anhaltender unermuͤdlicher Fleiß ging ſo weit, daß er die ganze anſehn¬ liche Sammlung nach allen ihren Nummern durchzeichnete, indeſſen wir Kinder von ei¬ nem Kopf zum andern ſprangen, und uns nur die auswaͤhlten, die uns gefielen. Um dieſe Zeit ward auch der ſchon laͤngſt in Berathung gezogne Vorſatz, uns in der Muſik unterrichten zu laſſen, ausgefuͤhrt; und zwar verdient der letzte Anſtoß dazu wohl

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/283>, abgerufen am 02.09.2024.