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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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der Titel sey zu gering, bückte er sich tiefer,
und sagte: Monseigneur! -- "Mein Herr,
sagte der Graf ganz ernsthaft: wir wollen
nicht weiter gehen, denn sonst könnten wir
es leicht bis zur Majestät bringen." -- Der
andere war äußerst verlegen und wußte kein
Wort zu sagen. Der Dolmetsch, in einiger
Entfernung stehend und von der ganzen Sache
unterrichtet, war boshaft genug, sich nicht
zu rühren; der Graf aber, mit großer Hei¬
terkeit, fuhr fort: "Zum Beyspiel, mein
Herr, wie heißen Sie?" -- Spangenberg,
versetzte jener -- "und ich, sagte der Graf,
heiße Thorane. Spangenberg, was wollt
Ihr von Thorane? und nun setzen wir uns,
die Sache soll gleich abgethan seyn."

Und so wurde die Sache auch gleich zu
großer Zufriedenheit desjenigen abgethan, den
ich hier Spangenberg genannt habe, und die
Geschichte noch an selbigem Abend von dem
schadenfrohen Dolmetsch in unserm Familien¬

I. 16

der Titel ſey zu gering, buͤckte er ſich tiefer,
und ſagte: Monſeigneur! — „Mein Herr,
ſagte der Graf ganz ernſthaft: wir wollen
nicht weiter gehen, denn ſonſt koͤnnten wir
es leicht bis zur Majeſtaͤt bringen.“ — Der
andere war aͤußerſt verlegen und wußte kein
Wort zu ſagen. Der Dolmetſch, in einiger
Entfernung ſtehend und von der ganzen Sache
unterrichtet, war boshaft genug, ſich nicht
zu ruͤhren; der Graf aber, mit großer Hei¬
terkeit, fuhr fort: „Zum Beyſpiel, mein
Herr, wie heißen Sie?“ — Spangenberg,
verſetzte jener — „und ich, ſagte der Graf,
heiße Thorane. Spangenberg, was wollt
Ihr von Thorane? und nun ſetzen wir uns,
die Sache ſoll gleich abgethan ſeyn.“

Und ſo wurde die Sache auch gleich zu
großer Zufriedenheit desjenigen abgethan, den
ich hier Spangenberg genannt habe, und die
Geſchichte noch an ſelbigem Abend von dem
ſchadenfrohen Dolmetſch in unſerm Familien¬

I. 16
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[241/0257] der Titel ſey zu gering, buͤckte er ſich tiefer, und ſagte: Monſeigneur! — „Mein Herr, ſagte der Graf ganz ernſthaft: wir wollen nicht weiter gehen, denn ſonſt koͤnnten wir es leicht bis zur Majeſtaͤt bringen.“ — Der andere war aͤußerſt verlegen und wußte kein Wort zu ſagen. Der Dolmetſch, in einiger Entfernung ſtehend und von der ganzen Sache unterrichtet, war boshaft genug, ſich nicht zu ruͤhren; der Graf aber, mit großer Hei¬ terkeit, fuhr fort: „Zum Beyſpiel, mein Herr, wie heißen Sie?“ — Spangenberg, verſetzte jener — „und ich, ſagte der Graf, heiße Thorane. Spangenberg, was wollt Ihr von Thorane? und nun ſetzen wir uns, die Sache ſoll gleich abgethan ſeyn.“ Und ſo wurde die Sache auch gleich zu großer Zufriedenheit desjenigen abgethan, den ich hier Spangenberg genannt habe, und die Geſchichte noch an ſelbigem Abend von dem ſchadenfrohen Dolmetſch in unſerm Familien¬ I. 16

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/257>, abgerufen am 28.11.2024.