der Titel sey zu gering, bückte er sich tiefer, und sagte: Monseigneur! -- "Mein Herr, sagte der Graf ganz ernsthaft: wir wollen nicht weiter gehen, denn sonst könnten wir es leicht bis zur Majestät bringen." -- Der andere war äußerst verlegen und wußte kein Wort zu sagen. Der Dolmetsch, in einiger Entfernung stehend und von der ganzen Sache unterrichtet, war boshaft genug, sich nicht zu rühren; der Graf aber, mit großer Hei¬ terkeit, fuhr fort: "Zum Beyspiel, mein Herr, wie heißen Sie?" -- Spangenberg, versetzte jener -- "und ich, sagte der Graf, heiße Thorane. Spangenberg, was wollt Ihr von Thorane? und nun setzen wir uns, die Sache soll gleich abgethan seyn."
Und so wurde die Sache auch gleich zu großer Zufriedenheit desjenigen abgethan, den ich hier Spangenberg genannt habe, und die Geschichte noch an selbigem Abend von dem schadenfrohen Dolmetsch in unserm Familien¬
I. 16
der Titel ſey zu gering, buͤckte er ſich tiefer, und ſagte: Monſeigneur! — „Mein Herr, ſagte der Graf ganz ernſthaft: wir wollen nicht weiter gehen, denn ſonſt koͤnnten wir es leicht bis zur Majeſtaͤt bringen.“ — Der andere war aͤußerſt verlegen und wußte kein Wort zu ſagen. Der Dolmetſch, in einiger Entfernung ſtehend und von der ganzen Sache unterrichtet, war boshaft genug, ſich nicht zu ruͤhren; der Graf aber, mit großer Hei¬ terkeit, fuhr fort: „Zum Beyſpiel, mein Herr, wie heißen Sie?“ — Spangenberg, verſetzte jener — „und ich, ſagte der Graf, heiße Thorane. Spangenberg, was wollt Ihr von Thorane? und nun ſetzen wir uns, die Sache ſoll gleich abgethan ſeyn.“
Und ſo wurde die Sache auch gleich zu großer Zufriedenheit desjenigen abgethan, den ich hier Spangenberg genannt habe, und die Geſchichte noch an ſelbigem Abend von dem ſchadenfrohen Dolmetſch in unſerm Familien¬
I. 16
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0257"n="241"/>
der Titel ſey zu gering, buͤckte er ſich tiefer,<lb/>
und ſagte: Monſeigneur! —„Mein Herr,<lb/>ſagte der Graf ganz ernſthaft: wir wollen<lb/>
nicht weiter gehen, denn ſonſt koͤnnten wir<lb/>
es leicht bis zur Majeſtaͤt bringen.“— Der<lb/>
andere war aͤußerſt verlegen und wußte kein<lb/>
Wort zu ſagen. Der Dolmetſch, in einiger<lb/>
Entfernung ſtehend und von der ganzen Sache<lb/>
unterrichtet, war boshaft genug, ſich nicht<lb/>
zu ruͤhren; der Graf aber, mit großer Hei¬<lb/>
terkeit, fuhr fort: „Zum Beyſpiel, mein<lb/>
Herr, wie heißen Sie?“— Spangenberg,<lb/>
verſetzte jener —„und ich, ſagte der Graf,<lb/>
heiße Thorane. Spangenberg, was wollt<lb/>
Ihr von Thorane? und nun ſetzen wir uns,<lb/>
die Sache ſoll gleich abgethan ſeyn.“</p><lb/><p>Und ſo wurde die Sache auch gleich zu<lb/>
großer Zufriedenheit desjenigen abgethan, den<lb/>
ich hier Spangenberg genannt habe, und die<lb/>
Geſchichte noch an ſelbigem Abend von dem<lb/>ſchadenfrohen Dolmetſch in unſerm Familien¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I. 16<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[241/0257]
der Titel ſey zu gering, buͤckte er ſich tiefer,
und ſagte: Monſeigneur! — „Mein Herr,
ſagte der Graf ganz ernſthaft: wir wollen
nicht weiter gehen, denn ſonſt koͤnnten wir
es leicht bis zur Majeſtaͤt bringen.“ — Der
andere war aͤußerſt verlegen und wußte kein
Wort zu ſagen. Der Dolmetſch, in einiger
Entfernung ſtehend und von der ganzen Sache
unterrichtet, war boshaft genug, ſich nicht
zu ruͤhren; der Graf aber, mit großer Hei¬
terkeit, fuhr fort: „Zum Beyſpiel, mein
Herr, wie heißen Sie?“ — Spangenberg,
verſetzte jener — „und ich, ſagte der Graf,
heiße Thorane. Spangenberg, was wollt
Ihr von Thorane? und nun ſetzen wir uns,
die Sache ſoll gleich abgethan ſeyn.“
Und ſo wurde die Sache auch gleich zu
großer Zufriedenheit desjenigen abgethan, den
ich hier Spangenberg genannt habe, und die
Geſchichte noch an ſelbigem Abend von dem
ſchadenfrohen Dolmetſch in unſerm Familien¬
I. 16
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/257>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.