schah, und diese Handlung erregte in der Stadt, wo man an prunkhafte Leichenbegäng¬ nisse gewöhnt war, großes Aufsehn. Alle diejenigen, die bey solchen Gelegenheiten ei¬ nen herkömmlichen Verdienst hatten, erhu¬ ben sich gegen die Neuerung. Allein der wackre Patrizier fand Nachfolger in allen Ständen, und ob man schon dergleichen Begängnisse spottweise Ochsenleichen nannte; so nahmen sie doch zum Besten mancher wenig bemittelten Familien überhand, und die Prunkbegängnisse verloren sich immer mehr. Ich führe diesen Umstand an, weil er eins der frühern Symptome jener Gesinnun¬ gen von Demuth und Gleichstellung darbie¬ tet, die sich in der zweyten Hälfte des vo¬ rigen Jahrhunderts von obenherein auf so manche Weise gezeigt haben und in so uner¬ wartete Wirkungen ausgeschlagen sind.
Auch fehlte es nicht an Liebhabern des Alterthums. Es fanden sich Gemäldecabinette,
ſchah, und dieſe Handlung erregte in der Stadt, wo man an prunkhafte Leichenbegaͤng¬ niſſe gewoͤhnt war, großes Aufſehn. Alle diejenigen, die bey ſolchen Gelegenheiten ei¬ nen herkoͤmmlichen Verdienſt hatten, erhu¬ ben ſich gegen die Neuerung. Allein der wackre Patrizier fand Nachfolger in allen Staͤnden, und ob man ſchon dergleichen Begaͤngniſſe ſpottweiſe Ochſenleichen nannte; ſo nahmen ſie doch zum Beſten mancher wenig bemittelten Familien uͤberhand, und die Prunkbegaͤngniſſe verloren ſich immer mehr. Ich fuͤhre dieſen Umſtand an, weil er eins der fruͤhern Symptome jener Geſinnun¬ gen von Demuth und Gleichſtellung darbie¬ tet, die ſich in der zweyten Haͤlfte des vo¬ rigen Jahrhunderts von obenherein auf ſo manche Weiſe gezeigt haben und in ſo uner¬ wartete Wirkungen ausgeſchlagen ſind.
Auch fehlte es nicht an Liebhabern des Alterthums. Es fanden ſich Gemaͤldecabinette,
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ſchah, und dieſe Handlung erregte in der
Stadt, wo man an prunkhafte Leichenbegaͤng¬
niſſe gewoͤhnt war, großes Aufſehn. Alle
diejenigen, die bey ſolchen Gelegenheiten ei¬
nen herkoͤmmlichen Verdienſt hatten, erhu¬
ben ſich gegen die Neuerung. Allein der
wackre Patrizier fand Nachfolger in allen
Staͤnden, und ob man ſchon dergleichen
Begaͤngniſſe ſpottweiſe Ochſenleichen nannte;
ſo nahmen ſie doch zum Beſten mancher
wenig bemittelten Familien uͤberhand, und
die Prunkbegaͤngniſſe verloren ſich immer
mehr. Ich fuͤhre dieſen Umſtand an, weil er
eins der fruͤhern Symptome jener Geſinnun¬
gen von Demuth und Gleichſtellung darbie¬
tet, die ſich in der zweyten Haͤlfte des vo¬
rigen Jahrhunderts von obenherein auf ſo
manche Weiſe gezeigt haben und in ſo uner¬
wartete Wirkungen ausgeſchlagen ſind.
Auch fehlte es nicht an Liebhabern des
Alterthums. Es fanden ſich Gemaͤldecabinette,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/183>, abgerufen am 17.05.2024.
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