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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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behandelt. Dadurch setzt man sich in einen
großen Vortheil, der uns von andern so ge¬
schwind nicht abgewonnen wird.

Da ich jedoch von einem solchen Leidens¬
trotz gleichsam Profession machte, so wuchsen
die Zudringlichkeiten der Andern; und wie
eine unartige Grausamkeit keine Gränzen
kennt, so wußte sie mich doch aus meiner
Gränze hinauszutreiben. Ich erzähle einen
Fall statt vieler. Der Lehrer war eine
Stunde nicht gekommen: so lange wir Kin¬
der alle beysammen waren, unterhielten wir
uns recht artig; als aber die mir Wohlwol¬
lenden, nachdem sie lange genug gewartet,
hinweggingen, und ich mit drey Mißwollen¬
den allein blieb: so dachten diese mich zu
quälen, zu beschämen und zu vertreiben.
Sie hatten mich einen Augenblick im Zim¬
mer verlassen und kamen mit Ruthen zurück,
die sie sich aus einem geschwind zerschnittenen
Besen verschafft hatten. Ich merkte ihre

behandelt. Dadurch ſetzt man ſich in einen
großen Vortheil, der uns von andern ſo ge¬
ſchwind nicht abgewonnen wird.

Da ich jedoch von einem ſolchen Leidens¬
trotz gleichſam Profeſſion machte, ſo wuchſen
die Zudringlichkeiten der Andern; und wie
eine unartige Grauſamkeit keine Graͤnzen
kennt, ſo wußte ſie mich doch aus meiner
Graͤnze hinauszutreiben. Ich erzaͤhle einen
Fall ſtatt vieler. Der Lehrer war eine
Stunde nicht gekommen: ſo lange wir Kin¬
der alle beyſammen waren, unterhielten wir
uns recht artig; als aber die mir Wohlwol¬
lenden, nachdem ſie lange genug gewartet,
hinweggingen, und ich mit drey Mißwollen¬
den allein blieb: ſo dachten dieſe mich zu
quaͤlen, zu beſchaͤmen und zu vertreiben.
Sie hatten mich einen Augenblick im Zim¬
mer verlaſſen und kamen mit Ruthen zuruͤck,
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Beſen verſchafft hatten. Ich merkte ihre

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[142/0158] behandelt. Dadurch ſetzt man ſich in einen großen Vortheil, der uns von andern ſo ge¬ ſchwind nicht abgewonnen wird. Da ich jedoch von einem ſolchen Leidens¬ trotz gleichſam Profeſſion machte, ſo wuchſen die Zudringlichkeiten der Andern; und wie eine unartige Grauſamkeit keine Graͤnzen kennt, ſo wußte ſie mich doch aus meiner Graͤnze hinauszutreiben. Ich erzaͤhle einen Fall ſtatt vieler. Der Lehrer war eine Stunde nicht gekommen: ſo lange wir Kin¬ der alle beyſammen waren, unterhielten wir uns recht artig; als aber die mir Wohlwol¬ lenden, nachdem ſie lange genug gewartet, hinweggingen, und ich mit drey Mißwollen¬ den allein blieb: ſo dachten dieſe mich zu quaͤlen, zu beſchaͤmen und zu vertreiben. Sie hatten mich einen Augenblick im Zim¬ mer verlaſſen und kamen mit Ruthen zuruͤck, die ſie ſich aus einem geſchwind zerſchnittenen Beſen verſchafft hatten. Ich merkte ihre

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/158>, abgerufen am 22.11.2024.