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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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niß anzufrischen und das köstliche Pförtchen
zu beschauen. Allein zu meinem größten
Erstaunen fand ich alles verändert. Nußbäu¬
me ragten wohl über die Mauer, aber sie
standen nicht unmittelbar neben einander. Ei¬
ne Tafel war auch eingemauert, aber von den
Bäumen weit rechts, ohne Verzierung, und
mit einer leserlichen Inschrift. Eine Nische
mit einem Brunnen findet sich weit links, der
aber jenem, den ich gesehen, durchaus nicht
zu vergleichen ist; so daß ich beynahe glauben
muß, das zweyte Abenteuer sey so gut als
das erste ein Traum gewesen: denn von dem
Pförtchen findet sich überhaupt gar keine Spur.
Das Einzige was mich tröstet, ist die Be¬
merkung, daß jene drey Gegenstände stets
den Ort zu verändern scheinen: denn bey wie¬
derholtem Besuch jener Gegend glaube ich be¬
merkt zu haben, daß die Nußbäume etwas
zusammenrücken, und daß Tafel und Brunnen
sich ebenfalls zu nähern scheinen. Wahrschein¬
lich, wenn alles wieder zusammentrifft, wird

niß anzufriſchen und das koͤſtliche Pfoͤrtchen
zu beſchauen. Allein zu meinem groͤßten
Erſtaunen fand ich alles veraͤndert. Nußbaͤu¬
me ragten wohl uͤber die Mauer, aber ſie
ſtanden nicht unmittelbar neben einander. Ei¬
ne Tafel war auch eingemauert, aber von den
Baͤumen weit rechts, ohne Verzierung, und
mit einer leſerlichen Inſchrift. Eine Niſche
mit einem Brunnen findet ſich weit links, der
aber jenem, den ich geſehen, durchaus nicht
zu vergleichen iſt; ſo daß ich beynahe glauben
muß, das zweyte Abenteuer ſey ſo gut als
das erſte ein Traum geweſen: denn von dem
Pfoͤrtchen findet ſich uͤberhaupt gar keine Spur.
Das Einzige was mich troͤſtet, iſt die Be¬
merkung, daß jene drey Gegenſtaͤnde ſtets
den Ort zu veraͤndern ſcheinen: denn bey wie¬
derholtem Beſuch jener Gegend glaube ich be¬
merkt zu haben, daß die Nußbaͤume etwas
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lich, wenn alles wieder zuſammentrifft, wird

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[137/0153] niß anzufriſchen und das koͤſtliche Pfoͤrtchen zu beſchauen. Allein zu meinem groͤßten Erſtaunen fand ich alles veraͤndert. Nußbaͤu¬ me ragten wohl uͤber die Mauer, aber ſie ſtanden nicht unmittelbar neben einander. Ei¬ ne Tafel war auch eingemauert, aber von den Baͤumen weit rechts, ohne Verzierung, und mit einer leſerlichen Inſchrift. Eine Niſche mit einem Brunnen findet ſich weit links, der aber jenem, den ich geſehen, durchaus nicht zu vergleichen iſt; ſo daß ich beynahe glauben muß, das zweyte Abenteuer ſey ſo gut als das erſte ein Traum geweſen: denn von dem Pfoͤrtchen findet ſich uͤberhaupt gar keine Spur. Das Einzige was mich troͤſtet, iſt die Be¬ merkung, daß jene drey Gegenſtaͤnde ſtets den Ort zu veraͤndern ſcheinen: denn bey wie¬ derholtem Beſuch jener Gegend glaube ich be¬ merkt zu haben, daß die Nußbaͤume etwas zuſammenruͤcken, und daß Tafel und Brunnen ſich ebenfalls zu naͤhern ſcheinen. Wahrſchein¬ lich, wenn alles wieder zuſammentrifft, wird

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/153>, abgerufen am 21.05.2024.