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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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es, der sich vor mir eröffnet hatte. Gleich
hinter der Pforte sah ich einen großen beschat¬
teten Platz; alte Linden, regelmäßig von
einander abstehend, bedeckten ihn völlig mit
ihren dicht in einander greifenden Aesten, so
daß die zahlreichsten Gesellschaften in der
größten Tageshitze sich darunter hätten erqui¬
cken können. Schon war ich auf die Schwelle
getreten, und der Alte wußte mich immer
um einen Schritt weiter zu locken. Ich
widerstand auch eigentlich nicht: denn ich
hatte jederzeit gehört, daß ein Prinz oder
Sultan in solchem Falle niemals fragen müsse,
ob Gefahr vorhanden sey. Hatte ich doch
auch meinen Degen an der Seite; und sollte
ich mit dem Alten nicht fertig werden, wenn
er sich feindlich erweisen wollte? Ich trat also
ganz gesichert hinein; der Pförtner drückte
die Thüre zu, die so leise einschnappte, daß
ich es kaum spürte. Nun zeigte er mir die
inwendig angebrachte, wirklich noch viel kunst¬
reichere Arbeit, legte sie mir aus, und bewies

es, der ſich vor mir eroͤffnet hatte. Gleich
hinter der Pforte ſah ich einen großen beſchat¬
teten Platz; alte Linden, regelmaͤßig von
einander abſtehend, bedeckten ihn voͤllig mit
ihren dicht in einander greifenden Aeſten, ſo
daß die zahlreichſten Geſellſchaften in der
groͤßten Tageshitze ſich darunter haͤtten erqui¬
cken koͤnnen. Schon war ich auf die Schwelle
getreten, und der Alte wußte mich immer
um einen Schritt weiter zu locken. Ich
widerſtand auch eigentlich nicht: denn ich
hatte jederzeit gehoͤrt, daß ein Prinz oder
Sultan in ſolchem Falle niemals fragen muͤſſe,
ob Gefahr vorhanden ſey. Hatte ich doch
auch meinen Degen an der Seite; und ſollte
ich mit dem Alten nicht fertig werden, wenn
er ſich feindlich erweiſen wollte? Ich trat alſo
ganz geſichert hinein; der Pfoͤrtner druͤckte
die Thuͤre zu, die ſo leiſe einſchnappte, daß
ich es kaum ſpuͤrte. Nun zeigte er mir die
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reichere Arbeit, legte ſie mir aus, und bewies

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[112/0128] es, der ſich vor mir eroͤffnet hatte. Gleich hinter der Pforte ſah ich einen großen beſchat¬ teten Platz; alte Linden, regelmaͤßig von einander abſtehend, bedeckten ihn voͤllig mit ihren dicht in einander greifenden Aeſten, ſo daß die zahlreichſten Geſellſchaften in der groͤßten Tageshitze ſich darunter haͤtten erqui¬ cken koͤnnen. Schon war ich auf die Schwelle getreten, und der Alte wußte mich immer um einen Schritt weiter zu locken. Ich widerſtand auch eigentlich nicht: denn ich hatte jederzeit gehoͤrt, daß ein Prinz oder Sultan in ſolchem Falle niemals fragen muͤſſe, ob Gefahr vorhanden ſey. Hatte ich doch auch meinen Degen an der Seite; und ſollte ich mit dem Alten nicht fertig werden, wenn er ſich feindlich erweiſen wollte? Ich trat alſo ganz geſichert hinein; der Pfoͤrtner druͤckte die Thuͤre zu, die ſo leiſe einſchnappte, daß ich es kaum ſpuͤrte. Nun zeigte er mir die inwendig angebrachte, wirklich noch viel kunſt¬ reichere Arbeit, legte ſie mir aus, und bewies

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/128>, abgerufen am 24.11.2024.