Pocal von geschliffnem Crystall mit schäumen¬ dem Wein: doch zu trinken bedurfte ich nicht; denn ich hatte mich an den Früchten hinreichend gelabt. -- "Nun wollen wir spielen," sagte sie und führte mich in das an¬ dere Zimmer. Hier sah es nun aus wie auf einem Christmarkt; aber so kostbare und feine Sachen hat man niemals in einer Weihnachtsbude gesehen. Da waren alle Arten von Puppen, Puppenkleidern und Pup¬ pengeräthschaften; Küchen, Wochenstuben und Läden; und einzelne Spielsachen in Unzahl. Sie führte mich an allen Glasschränken herum: denn in solchen waren diese künstlichen Arbeiten aufbewahrt. Die ersten Schränke verschloß sie aber bald wieder und sagte: "Das ist nichts für Euch, ich weiß es wohl. Hier aber, sagte sie, könnten wir Baumate¬ rialien finden, Mauern und Thürme, Häu¬ ser, Palläste, Kirchen, um eine große Stadt zusammenzustellen. Das unterhält mich aber nicht; wir wollen zu etwas anderem greifen,
Pocal von geſchliffnem Cryſtall mit ſchaͤumen¬ dem Wein: doch zu trinken bedurfte ich nicht; denn ich hatte mich an den Fruͤchten hinreichend gelabt. — „Nun wollen wir ſpielen,“ ſagte ſie und fuͤhrte mich in das an¬ dere Zimmer. Hier ſah es nun aus wie auf einem Chriſtmarkt; aber ſo koſtbare und feine Sachen hat man niemals in einer Weihnachtsbude geſehen. Da waren alle Arten von Puppen, Puppenkleidern und Pup¬ pengeraͤthſchaften; Kuͤchen, Wochenſtuben und Laͤden; und einzelne Spielſachen in Unzahl. Sie fuͤhrte mich an allen Glasſchraͤnken herum: denn in ſolchen waren dieſe kuͤnſtlichen Arbeiten aufbewahrt. Die erſten Schraͤnke verſchloß ſie aber bald wieder und ſagte: „Das iſt nichts fuͤr Euch, ich weiß es wohl. Hier aber, ſagte ſie, koͤnnten wir Baumate¬ rialien finden, Mauern und Thuͤrme, Haͤu¬ ſer, Pallaͤſte, Kirchen, um eine große Stadt zuſammenzuſtellen. Das unterhaͤlt mich aber nicht; wir wollen zu etwas anderem greifen,
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Pocal von geſchliffnem Cryſtall mit ſchaͤumen¬
dem Wein: doch zu trinken bedurfte ich
nicht; denn ich hatte mich an den Fruͤchten
hinreichend gelabt. — „Nun wollen wir
ſpielen,“ ſagte ſie und fuͤhrte mich in das an¬
dere Zimmer. Hier ſah es nun aus wie
auf einem Chriſtmarkt; aber ſo koſtbare und
feine Sachen hat man niemals in einer
Weihnachtsbude geſehen. Da waren alle
Arten von Puppen, Puppenkleidern und Pup¬
pengeraͤthſchaften; Kuͤchen, Wochenſtuben und
Laͤden; und einzelne Spielſachen in Unzahl.
Sie fuͤhrte mich an allen Glasſchraͤnken
herum: denn in ſolchen waren dieſe kuͤnſtlichen
Arbeiten aufbewahrt. Die erſten Schraͤnke
verſchloß ſie aber bald wieder und ſagte:
„Das iſt nichts fuͤr Euch, ich weiß es wohl.
Hier aber, ſagte ſie, koͤnnten wir Baumate¬
rialien finden, Mauern und Thuͤrme, Haͤu¬
ſer, Pallaͤſte, Kirchen, um eine große Stadt
zuſammenzuſtellen. Das unterhaͤlt mich aber
nicht; wir wollen zu etwas anderem greifen,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/142>, abgerufen am 12.01.2025.
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