Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Iphigenie auf Tauris Seit meinen ersten Jahren hab' ich nichtsGeliebt, wie ich dich lieben könnte, Schwester. Ja, schwinge deinen Stahl, verschone nicht, Zerreiße diesen Busen, und eröffne Den Strömen die hier sieden einen Weg. Er sinkt in Ermattung. Iphigenie. Allein zu tragen dieses Glück und Elend Vermag ich nicht. -- Wo bist du, Pylades? Wo find' ich deine Hülfe, theurer Mann? Sie entfernt sich suchend. Zweyter Auftritt. Orest aus seiner Betäubung erwachend und sich aufrichtend. Noch einen! reiche mir aus Lethe's Fluthen Den letzten kühlen Becher der Erquickung! Bald ist der Krampf des Lebens aus dem Busen Hinweggespült; bald fließet still mein Geist, Iphigenie auf Tauris Seit meinen erſten Jahren hab’ ich nichtsGeliebt, wie ich dich lieben könnte, Schweſter. Ja, ſchwinge deinen Stahl, verſchone nicht, Zerreiße dieſen Buſen, und eröffne Den Strömen die hier ſieden einen Weg. Er ſinkt in Ermattung. Iphigenie. Allein zu tragen dieſes Glück und Elend Vermag ich nicht. — Wo biſt du, Pylades? Wo find’ ich deine Hülfe, theurer Mann? Sie entfernt ſich ſuchend. Zweyter Auftritt. Oreſt aus ſeiner Betäubung erwachend und ſich aufrichtend. Noch einen! reiche mir aus Lethe’s Fluthen Den letzten kühlen Becher der Erquickung! Bald iſt der Krampf des Lebens aus dem Buſen Hinweggeſpült; bald fließet ſtill mein Geiſt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#ORE"> <p><pb facs="#f0085" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Iphigenie auf Tauris</hi></fw><lb/> Seit meinen erſten Jahren hab’ ich nichts<lb/> Geliebt, wie ich dich lieben könnte, Schweſter.<lb/> Ja, ſchwinge deinen Stahl, verſchone nicht,<lb/> Zerreiße dieſen Buſen, und eröffne<lb/> Den Strömen die hier ſieden einen Weg.</p><lb/> <stage>Er ſinkt in Ermattung.</stage> </sp><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Iphigenie.</hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Allein zu tragen dieſes Glück und Elend<lb/> Vermag ich nicht. — Wo biſt du, Pylades?<lb/> Wo find’ ich deine Hülfe, theurer Mann?</p> </sp><lb/> <stage>Sie entfernt ſich ſuchend.</stage> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Zweyter Auftritt.</hi> </head><lb/> <sp who="#ORE"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Oreſt</hi> </hi> </speaker><lb/> <stage>aus ſeiner Betäubung erwachend und ſich aufrichtend.</stage><lb/> <p>Noch einen! reiche mir aus Lethe’s Fluthen<lb/> Den letzten kühlen Becher der Erquickung!<lb/> Bald iſt der Krampf des Lebens aus dem Buſen<lb/> Hinweggeſpült; bald fließet ſtill mein Geiſt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0085]
Iphigenie auf Tauris
Seit meinen erſten Jahren hab’ ich nichts
Geliebt, wie ich dich lieben könnte, Schweſter.
Ja, ſchwinge deinen Stahl, verſchone nicht,
Zerreiße dieſen Buſen, und eröffne
Den Strömen die hier ſieden einen Weg.
Er ſinkt in Ermattung.
Iphigenie.
Allein zu tragen dieſes Glück und Elend
Vermag ich nicht. — Wo biſt du, Pylades?
Wo find’ ich deine Hülfe, theurer Mann?
Sie entfernt ſich ſuchend.
Zweyter Auftritt.
Oreſt
aus ſeiner Betäubung erwachend und ſich aufrichtend.
Noch einen! reiche mir aus Lethe’s Fluthen
Den letzten kühlen Becher der Erquickung!
Bald iſt der Krampf des Lebens aus dem Buſen
Hinweggeſpült; bald fließet ſtill mein Geiſt,
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