Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Iphigenie auf Tauris Ist eines Menschen erste, nächste Pflicht:Denn selten schätzt er recht was er gethan, Und was er thut weiß er fast nie zu schätzen. Iphigenie. Fast überred'st du mich zu deiner Meinung. Pylades. Braucht's Überredung wo die Wahl versagt ist? Den Bruder, dich, und einen Freund zu retten Ist nur Ein Weg; fragt sich's ob wir ihn gehn? Iphigenie. O laß mich zaudern! denn du thätest selbst Ein solches Unrecht keinem Mann gelassen, Dem du für Wohlthat dich verpflichtet hieltest. Pylades. Wenn wir zu Grunde gehen, wartet dein Ein härt'rer Vorwurf, der Verzweiflung trägt. Man sieht, du bist nicht an Verlust gewohnt, Da du dem großen Übel zu entgehen Ein falsches Wort nicht einmal opfern willst. Iphigenie auf Tauris Iſt eines Menſchen erſte, nächſte Pflicht:Denn ſelten ſchätzt er recht was er gethan, Und was er thut weiß er faſt nie zu ſchätzen. Iphigenie. Faſt überred’ſt du mich zu deiner Meinung. Pylades. Braucht’s Überredung wo die Wahl verſagt iſt? Den Bruder, dich, und einen Freund zu retten Iſt nur Ein Weg; fragt ſich’s ob wir ihn gehn? Iphigenie. O laß mich zaudern! denn du thäteſt ſelbſt Ein ſolches Unrecht keinem Mann gelaſſen, Dem du für Wohlthat dich verpflichtet hielteſt. Pylades. Wenn wir zu Grunde gehen, wartet dein Ein härt’rer Vorwurf, der Verzweiflung trägt. Man ſieht, du biſt nicht an Verluſt gewohnt, Da du dem großen Übel zu entgehen Ein falſches Wort nicht einmal opfern willſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#PYL"> <p><pb facs="#f0111" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Iphigenie auf Tauris</hi></fw><lb/> Iſt eines Menſchen erſte, nächſte Pflicht:<lb/> Denn ſelten ſchätzt er recht was er gethan,<lb/> Und was er thut weiß er faſt nie zu ſchätzen.</p> </sp><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Iphigenie</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Faſt überred’ſt du mich zu deiner Meinung.</p> </sp><lb/> <sp who="#PYL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Braucht’s Überredung wo die Wahl verſagt iſt?<lb/> Den Bruder, dich, und einen Freund zu retten<lb/> Iſt nur Ein Weg; fragt ſich’s ob wir ihn gehn?</p> </sp><lb/> <sp who="#IPH"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Iphigenie</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>O laß mich zaudern! denn du thäteſt ſelbſt<lb/> Ein ſolches Unrecht keinem Mann gelaſſen,<lb/> Dem du für Wohlthat dich verpflichtet hielteſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#PYL"> <speaker> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Pylades</hi>.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn wir zu Grunde gehen, wartet dein<lb/> Ein härt’rer Vorwurf, der Verzweiflung trägt.<lb/> Man ſieht, du biſt nicht an Verluſt gewohnt,<lb/> Da du dem großen Übel zu entgehen<lb/> Ein falſches Wort nicht einmal opfern willſt.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0111]
Iphigenie auf Tauris
Iſt eines Menſchen erſte, nächſte Pflicht:
Denn ſelten ſchätzt er recht was er gethan,
Und was er thut weiß er faſt nie zu ſchätzen.
Iphigenie.
Faſt überred’ſt du mich zu deiner Meinung.
Pylades.
Braucht’s Überredung wo die Wahl verſagt iſt?
Den Bruder, dich, und einen Freund zu retten
Iſt nur Ein Weg; fragt ſich’s ob wir ihn gehn?
Iphigenie.
O laß mich zaudern! denn du thäteſt ſelbſt
Ein ſolches Unrecht keinem Mann gelaſſen,
Dem du für Wohlthat dich verpflichtet hielteſt.
Pylades.
Wenn wir zu Grunde gehen, wartet dein
Ein härt’rer Vorwurf, der Verzweiflung trägt.
Man ſieht, du biſt nicht an Verluſt gewohnt,
Da du dem großen Übel zu entgehen
Ein falſches Wort nicht einmal opfern willſt.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_iphigenie_1787/111>, abgerufen am 16.02.2025. |