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Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773.

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Schicksal. Und ich bin noch glücklicher als er. Er
muß den Reichsständen die Mäuse fangen, inzwi-
schen die Ratten seine Besitzthümer annagen. Jch
weiß er wünscht sich manchmal lieber todt, als län-
ger die Seele eines so krüplichen Cörpers zu seyn.

(schenkt ein.) Es geht just noch einmal herum.
Und wenn unser Blut anfängt auf die Neige zu ge-
hen, wie der Wein in dieser Flasche erst schwach,
dann tropfenweise rinnt,
(er tröpfelt das letzte in
sein Glas.)
Was soll unser letztes Wort seyn?
Georg. Es lebe die Freyheit!
Götz. Es lebe die Freyheit!
Alle. Es lebe die Freyheit!
Götz. Und wenn die uns überlebt können wir
ruhig sterben. Denn wir sehen im Geist unsere
Enkel glücklich, und die Kayser unsrer Enkel glück-
lich. Wenn die Diener der Fürsten so edel und
frey dienen wie ihr mir, wenn die Fürsten dem
Kayser dienen wie ich ihm dienen mögte.
Georg. Da müßts viel anders werden.
Götz. So viel nicht als es scheinen mögte. Hab
ich nicht unter den Fürsten trefliche Menschen ge-
kannt, und sollte das Geschlecht ausgestorben seyn!
Gute


Schickſal. Und ich bin noch gluͤcklicher als er. Er
muß den Reichsſtaͤnden die Maͤuſe fangen, inzwi-
ſchen die Ratten ſeine Beſitzthuͤmer annagen. Jch
weiß er wuͤnſcht ſich manchmal lieber todt, als laͤn-
ger die Seele eines ſo kruͤplichen Coͤrpers zu ſeyn.

(ſchenkt ein.) Es geht juſt noch einmal herum.
Und wenn unſer Blut anfaͤngt auf die Neige zu ge-
hen, wie der Wein in dieſer Flaſche erſt ſchwach,
dann tropfenweiſe rinnt,
(er troͤpfelt das letzte in
ſein Glas.)
Was ſoll unſer letztes Wort ſeyn?
Georg. Es lebe die Freyheit!
Goͤtz. Es lebe die Freyheit!
Alle. Es lebe die Freyheit!
Goͤtz. Und wenn die uns uͤberlebt koͤnnen wir
ruhig ſterben. Denn wir ſehen im Geiſt unſere
Enkel gluͤcklich, und die Kayſer unſrer Enkel gluͤck-
lich. Wenn die Diener der Fuͤrſten ſo edel und
frey dienen wie ihr mir, wenn die Fuͤrſten dem
Kayſer dienen wie ich ihm dienen moͤgte.
Georg. Da muͤßts viel anders werden.
Goͤtz. So viel nicht als es ſcheinen moͤgte. Hab
ich nicht unter den Fuͤrſten trefliche Menſchen ge-
kannt, und ſollte das Geſchlecht ausgeſtorben ſeyn!
Gute
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[138/0142] Schickſal. Und ich bin noch gluͤcklicher als er. Er muß den Reichsſtaͤnden die Maͤuſe fangen, inzwi- ſchen die Ratten ſeine Beſitzthuͤmer annagen. Jch weiß er wuͤnſcht ſich manchmal lieber todt, als laͤn- ger die Seele eines ſo kruͤplichen Coͤrpers zu ſeyn. (ſchenkt ein.) Es geht juſt noch einmal herum. Und wenn unſer Blut anfaͤngt auf die Neige zu ge- hen, wie der Wein in dieſer Flaſche erſt ſchwach, dann tropfenweiſe rinnt, (er troͤpfelt das letzte in ſein Glas.) Was ſoll unſer letztes Wort ſeyn? Georg. Es lebe die Freyheit! Goͤtz. Es lebe die Freyheit! Alle. Es lebe die Freyheit! Goͤtz. Und wenn die uns uͤberlebt koͤnnen wir ruhig ſterben. Denn wir ſehen im Geiſt unſere Enkel gluͤcklich, und die Kayſer unſrer Enkel gluͤck- lich. Wenn die Diener der Fuͤrſten ſo edel und frey dienen wie ihr mir, wenn die Fuͤrſten dem Kayſer dienen wie ich ihm dienen moͤgte. Georg. Da muͤßts viel anders werden. Goͤtz. So viel nicht als es ſcheinen moͤgte. Hab ich nicht unter den Fuͤrſten trefliche Menſchen ge- kannt, und ſollte das Geſchlecht ausgeſtorben ſeyn! Gute

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/142>, abgerufen am 21.11.2024.