Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773.

Bild:
<< vorherige Seite


Freyen die sich nach Ruhe sehnen. Hätten wir ein-
mal diesen Sickingen, Selbitz -- Berlichingen
auf die Seite geschafft, das übrige würde bald von
sich selbsten zerfallen. Denn sie sind's deren Geist
die aufrührische Menge belebt.
Kayser. Jch mögte die Leute gerne schonen, sie
sind tapfer und edel. Wenn ich Krieg führte, müßt
ich sie unter meiner Armee haben.
Weislingen. Es wäre zu wünschen daß sie von
jeher gelernt hätten ihrer Pflicht zu gehorchen. Und
dann wär es höchst gefährlich ihre aufrührische
Unternehmungen durch Ehrenstellen zu belohnen.
Denn eben diese Kayserliche Mild und Gnade
ist's, die sie bisher so ungeheuer mißbrauchen,
und ihr Anhang der sein Vertrauen und Hofnung
darauf setzt, wird nicht ehe zu bändigen seyn, bis
wir sie ganz vor den Augen der Welt zu nichte ge-
macht, und alle Aussichten auf die Zukunft ihnen
abgeschnitten haben.
Kayser. Jhr rathet also zur Strenge.
Weislingen. Jch sehe kein ander Mittel den
Schwindelgeist, der ganze Landschaften ergreift, zu
bannen. Hören wir nicht schon hier und da die bit-
tersten


Freyen die ſich nach Ruhe ſehnen. Haͤtten wir ein-
mal dieſen Sickingen, Selbitz — Berlichingen
auf die Seite geſchafft, das uͤbrige wuͤrde bald von
ſich ſelbſten zerfallen. Denn ſie ſind’s deren Geiſt
die aufruͤhriſche Menge belebt.
Kayſer. Jch moͤgte die Leute gerne ſchonen, ſie
ſind tapfer und edel. Wenn ich Krieg fuͤhrte, muͤßt
ich ſie unter meiner Armee haben.
Weislingen. Es waͤre zu wuͤnſchen daß ſie von
jeher gelernt haͤtten ihrer Pflicht zu gehorchen. Und
dann waͤr es hoͤchſt gefaͤhrlich ihre aufruͤhriſche
Unternehmungen durch Ehrenſtellen zu belohnen.
Denn eben dieſe Kayſerliche Mild und Gnade
iſt’s, die ſie bisher ſo ungeheuer mißbrauchen,
und ihr Anhang der ſein Vertrauen und Hofnung
darauf ſetzt, wird nicht ehe zu baͤndigen ſeyn, bis
wir ſie ganz vor den Augen der Welt zu nichte ge-
macht, und alle Ausſichten auf die Zukunft ihnen
abgeſchnitten haben.
Kayſer. Jhr rathet alſo zur Strenge.
Weislingen. Jch ſehe kein ander Mittel den
Schwindelgeiſt, der ganze Landſchaften ergreift, zu
bannen. Hoͤren wir nicht ſchon hier und da die bit-
terſten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#WEI">
          <p><pb facs="#f0104" n="100"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> Freyen die &#x017F;ich nach Ruhe &#x017F;ehnen. Ha&#x0364;tten wir ein-<lb/>
mal die&#x017F;en Sickingen, Selbitz &#x2014; Berlichingen<lb/>
auf die Seite ge&#x017F;chafft, das u&#x0364;brige wu&#x0364;rde bald von<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten zerfallen. Denn &#x017F;ie &#x017F;ind&#x2019;s deren Gei&#x017F;t<lb/>
die aufru&#x0364;hri&#x017F;che Menge belebt.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KAY">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Kay&#x017F;er.</hi> </speaker>
          <p>Jch mo&#x0364;gte die Leute gerne &#x017F;chonen, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind tapfer und edel. Wenn ich Krieg fu&#x0364;hrte, mu&#x0364;ßt<lb/>
ich &#x017F;ie unter meiner Armee haben.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEI">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Weislingen.</hi> </speaker>
          <p>Es wa&#x0364;re zu wu&#x0364;n&#x017F;chen daß &#x017F;ie von<lb/>
jeher gelernt ha&#x0364;tten ihrer Pflicht zu gehorchen. Und<lb/>
dann wa&#x0364;r es ho&#x0364;ch&#x017F;t gefa&#x0364;hrlich ihre aufru&#x0364;hri&#x017F;che<lb/>
Unternehmungen durch Ehren&#x017F;tellen zu belohnen.<lb/>
Denn eben die&#x017F;e Kay&#x017F;erliche Mild und Gnade<lb/>
i&#x017F;t&#x2019;s, die &#x017F;ie bisher &#x017F;o ungeheuer mißbrauchen,<lb/>
und ihr Anhang der &#x017F;ein Vertrauen und Hofnung<lb/>
darauf &#x017F;etzt, wird nicht ehe zu ba&#x0364;ndigen &#x017F;eyn, bis<lb/>
wir &#x017F;ie ganz vor den Augen der Welt zu nichte ge-<lb/>
macht, und alle Aus&#x017F;ichten auf die Zukunft ihnen<lb/>
abge&#x017F;chnitten haben.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#KAY">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Kay&#x017F;er.</hi> </speaker>
          <p>Jhr rathet al&#x017F;o zur Strenge.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEI">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Weislingen.</hi> </speaker>
          <p>Jch &#x017F;ehe kein ander Mittel den<lb/>
Schwindelgei&#x017F;t, der ganze Land&#x017F;chaften ergreift, zu<lb/>
bannen. Ho&#x0364;ren wir nicht &#x017F;chon hier und da die bit-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ter&#x017F;ten</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0104] Freyen die ſich nach Ruhe ſehnen. Haͤtten wir ein- mal dieſen Sickingen, Selbitz — Berlichingen auf die Seite geſchafft, das uͤbrige wuͤrde bald von ſich ſelbſten zerfallen. Denn ſie ſind’s deren Geiſt die aufruͤhriſche Menge belebt. Kayſer. Jch moͤgte die Leute gerne ſchonen, ſie ſind tapfer und edel. Wenn ich Krieg fuͤhrte, muͤßt ich ſie unter meiner Armee haben. Weislingen. Es waͤre zu wuͤnſchen daß ſie von jeher gelernt haͤtten ihrer Pflicht zu gehorchen. Und dann waͤr es hoͤchſt gefaͤhrlich ihre aufruͤhriſche Unternehmungen durch Ehrenſtellen zu belohnen. Denn eben dieſe Kayſerliche Mild und Gnade iſt’s, die ſie bisher ſo ungeheuer mißbrauchen, und ihr Anhang der ſein Vertrauen und Hofnung darauf ſetzt, wird nicht ehe zu baͤndigen ſeyn, bis wir ſie ganz vor den Augen der Welt zu nichte ge- macht, und alle Ausſichten auf die Zukunft ihnen abgeſchnitten haben. Kayſer. Jhr rathet alſo zur Strenge. Weislingen. Jch ſehe kein ander Mittel den Schwindelgeiſt, der ganze Landſchaften ergreift, zu bannen. Hoͤren wir nicht ſchon hier und da die bit- terſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/104
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/104>, abgerufen am 03.07.2024.