Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Faust Die Hexe. O Herr, verzeiht den rohen Gruß! Seh' ich doch keinen Pferdefuß. Wo sind denn eure beyden Raben? Mephistopheles. Für dießmal kommst du so davon; Denn freylich ist es eine Weile schon, Daß wir uns nicht gesehen haben. Auch die Cultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel sich erstreckt; Das Nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen, Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen? Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann, Der würde mir bey Leuten schaden; Darum bedien' ich mich, wie mancher junge Mann, Seit vielen Jahren falscher Waden. Die Hexe tanzend. Sinn und Verstand verlier' ich schier, Seh' ich den Junker Satan wieder hier! Fauſt Die Hexe. O Herr, verzeiht den rohen Gruß! Seh’ ich doch keinen Pferdefuß. Wo ſind denn eure beyden Raben? Mephiſtopheles. Für dießmal kommſt du ſo davon; Denn freylich iſt es eine Weile ſchon, Daß wir uns nicht geſehen haben. Auch die Cultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel ſich erſtreckt; Das Nordiſche Phantom iſt nun nicht mehr zu ſchauen, Wo ſiehſt du Hörner, Schweif und Klauen? Und was den Fuß betrifft, den ich nicht miſſen kann, Der würde mir bey Leuten ſchaden; Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge Mann, Seit vielen Jahren falſcher Waden. Die Hexe tanzend. Sinn und Verſtand verlier’ ich ſchier, Seh’ ich den Junker Satan wieder hier! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0084" n="74"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Fauſt</hi> </fw><lb/> <sp who="#HEX"> <speaker><hi rendition="#g">Die Hexe</hi>.</speaker><lb/> <p>O Herr, verzeiht den rohen Gruß!<lb/> Seh’ ich doch keinen Pferdefuß.<lb/> Wo ſind denn eure beyden Raben?</p> </sp><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Für dießmal kommſt du ſo davon;<lb/> Denn freylich iſt es eine Weile ſchon,<lb/> Daß wir uns nicht geſehen haben.<lb/> Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,<lb/> Hat auf den Teufel ſich erſtreckt;<lb/> Das Nordiſche Phantom iſt nun nicht mehr<lb/> zu ſchauen,<lb/> Wo ſiehſt du Hörner, Schweif und Klauen?<lb/> Und was den Fuß betrifft, den ich nicht miſſen<lb/> kann,<lb/> Der würde mir bey Leuten ſchaden;<lb/> Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge<lb/> Mann,<lb/> Seit vielen Jahren falſcher Waden.</p> </sp><lb/> <sp who="#HEX"> <speaker> <hi rendition="#g">Die Hexe</hi> </speaker> <stage>tanzend.</stage><lb/> <p>Sinn und Verſtand verlier’ ich ſchier,<lb/> Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0084]
Fauſt
Die Hexe.
O Herr, verzeiht den rohen Gruß!
Seh’ ich doch keinen Pferdefuß.
Wo ſind denn eure beyden Raben?
Mephiſtopheles.
Für dießmal kommſt du ſo davon;
Denn freylich iſt es eine Weile ſchon,
Daß wir uns nicht geſehen haben.
Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel ſich erſtreckt;
Das Nordiſche Phantom iſt nun nicht mehr
zu ſchauen,
Wo ſiehſt du Hörner, Schweif und Klauen?
Und was den Fuß betrifft, den ich nicht miſſen
kann,
Der würde mir bey Leuten ſchaden;
Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge
Mann,
Seit vielen Jahren falſcher Waden.
Die Hexe tanzend.
Sinn und Verſtand verlier’ ich ſchier,
Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!
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