Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Faust Die Riesenfichte, stürzend, NachbarästeUnd Nachbarstämme, quetschend, nieder streift, Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel don- nert; Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust Geheime tiefe Wunder öffnen sich: Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besänftigend herüber, schweben mir Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch Der Vorwelt silberne Gestalten auf, Und lindern der Betrachtung strenge Lust. O daß dem Menschen nichts Vollkomm'nes wird, Empfind' ich nun. Du gabst zu dieser Wonne, Die mich den Göttern nah' und näher bringt, Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, Fauſt Die Rieſenfichte, ſtürzend, NachbaräſteUnd Nachbarſtämme, quetſchend, nieder ſtreift, Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel don- nert; Dann führſt du mich zur ſichern Höhle, zeigſt Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen Bruſt Geheime tiefe Wunder öffnen ſich: Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond Beſänftigend herüber, ſchweben mir Von Felſenwänden, aus dem feuchten Buſch Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf, Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt. O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes wird, Empfind’ ich nun. Du gabſt zu dieſer Wonne, Die mich den Göttern nah’ und näher bringt, Mir den Gefährten, den ich ſchon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0162" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fauſt</hi></fw><lb/> Die Rieſenfichte, ſtürzend, Nachbaräſte<lb/> Und Nachbarſtämme, quetſchend, nieder ſtreift,<lb/> Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel don-<lb/> nert;<lb/> Dann führſt du mich zur ſichern Höhle, zeigſt<lb/> Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen<lb/> Bruſt<lb/> Geheime tiefe Wunder öffnen ſich:<lb/> Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond<lb/> Beſänftigend herüber, ſchweben mir<lb/> Von Felſenwänden, aus dem feuchten Buſch<lb/> Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf,<lb/> Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt.</p><lb/> <p>O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes<lb/> wird,<lb/> Empfind’ ich nun. Du gabſt zu dieſer Wonne,<lb/> Die mich den Göttern nah’ und näher bringt,<lb/> Mir den Gefährten, den ich ſchon nicht mehr<lb/> Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und<lb/> frech,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [152/0162]
Fauſt
Die Rieſenfichte, ſtürzend, Nachbaräſte
Und Nachbarſtämme, quetſchend, nieder ſtreift,
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel don-
nert;
Dann führſt du mich zur ſichern Höhle, zeigſt
Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen
Bruſt
Geheime tiefe Wunder öffnen ſich:
Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond
Beſänftigend herüber, ſchweben mir
Von Felſenwänden, aus dem feuchten Buſch
Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf,
Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt.
O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes
wird,
Empfind’ ich nun. Du gabſt zu dieſer Wonne,
Die mich den Göttern nah’ und näher bringt,
Mir den Gefährten, den ich ſchon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und
frech,
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