Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790.Faust Mephistopheles. O heil'ger Mann! Da wär't ihr's nun! Ist es das erstemal in euerm Leben, Daß ihr falsch Zeugniß abgelegt? Habt ihr von Gott, der Welt und was sich d'rin bewegt, Vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt, Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben, Mit frecher Stirne, kühner Brust? Und wollt ihr recht in's Innre gehen, Habt ihr davon, ihr müßt es g'rad' gestehen, So viel als von Herrn Schwerdleins Tod gewußt! Faust. Du bist und bleibst ein Lügner, ein Sophiste. Mephistopheles. Ja, wenn man's nicht ein Bißchen tiefer wüßte. Denn morgen wirst in allen Ehren Das arme Grethchen nicht bethören, Und alle Seelenlieb' ihr schwören. Fauſt Mephiſtopheles. O heil’ger Mann! Da wär’t ihr’s nun! Iſt es das erſtemal in euerm Leben, Daß ihr falſch Zeugniß abgelegt? Habt ihr von Gott, der Welt und was ſich d’rin bewegt, Vom Menſchen, was ſich ihm in Kopf und Herzen regt, Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben, Mit frecher Stirne, kühner Bruſt? Und wollt ihr recht in’s Innre gehen, Habt ihr davon, ihr müßt es g’rad’ geſtehen, So viel als von Herrn Schwerdleins Tod gewußt! Fauſt. Du biſt und bleibſt ein Lügner, ein Sophiſte. Mephiſtopheles. Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wüßte. Denn morgen wirſt in allen Ehren Das arme Grethchen nicht bethören, Und alle Seelenlieb’ ihr ſchwören. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0126" n="116"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Fauſt</hi> </fw><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>O heil’ger Mann! Da wär’t ihr’s nun!<lb/> Iſt es das erſtemal in euerm Leben,<lb/> Daß ihr falſch Zeugniß abgelegt?<lb/> Habt ihr von Gott, der Welt und was ſich<lb/> d’rin bewegt,<lb/> Vom Menſchen, was ſich ihm in Kopf und<lb/> Herzen regt,<lb/> Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben,<lb/> Mit frecher Stirne, kühner Bruſt?<lb/> Und wollt ihr recht in’s Innre gehen,<lb/> Habt ihr davon, ihr müßt es g’rad’ geſtehen,<lb/> So viel als von Herrn Schwerdleins Tod<lb/> gewußt!</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>Du biſt und bleibſt ein Lügner, ein Sophiſte.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wüßte.<lb/> Denn morgen wirſt in allen Ehren<lb/> Das arme Grethchen nicht bethören,<lb/> Und alle Seelenlieb’ ihr ſchwören.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0126]
Fauſt
Mephiſtopheles.
O heil’ger Mann! Da wär’t ihr’s nun!
Iſt es das erſtemal in euerm Leben,
Daß ihr falſch Zeugniß abgelegt?
Habt ihr von Gott, der Welt und was ſich
d’rin bewegt,
Vom Menſchen, was ſich ihm in Kopf und
Herzen regt,
Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben,
Mit frecher Stirne, kühner Bruſt?
Und wollt ihr recht in’s Innre gehen,
Habt ihr davon, ihr müßt es g’rad’ geſtehen,
So viel als von Herrn Schwerdleins Tod
gewußt!
Fauſt.
Du biſt und bleibſt ein Lügner, ein Sophiſte.
Mephiſtopheles.
Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wüßte.
Denn morgen wirſt in allen Ehren
Das arme Grethchen nicht bethören,
Und alle Seelenlieb’ ihr ſchwören.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Ein Fragment. Leipzig, 1790, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faustfragment_1790/126>, abgerufen am 16.02.2025. |