Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Einer Kreisenden zu Lieb'
Aus der Wog' empor sie trieb.
Er, mit Streben, Drängen, Drücken,
Arme straff, gekrümmt den Rücken,
Wie ein Atlas an Gebärde,
Hebt er Boden, Rasen, Erde,
Kies und Gries und Sand und Letten,
Unsres Ufers stille Betten.
So zerreißt er eine Strecke
Quer des Thales ruhige Decke.
Angestrengtest, nimmer müde,
Kolossal-Karyatide,
Trägt ein furchtbar Steingerüste,
Noch im Boden bis zur Büste;
Weiter aber soll's nicht kommen,
Sphinxe haben Platz genommen.
Seismos.
Das hab' ich ganz allein vermittelt,
Man wird mir's endlich zugestehn:
Und hätt' ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
Wie wäre diese Welt so schön? -
Wie ständen eure Berge droben
In prächtig-reinem Aetherblau,
Hätt' ich sie nicht hervorgeschoben
Zu mahlerisch-entzückter Schau!
Als, Angesichts der höchsten Ahnen,
Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug
Und, in Gesellschaft von Titanen,
Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug.
Einer Kreisenden zu Lieb’
Aus der Wog’ empor sie trieb.
Er, mit Streben, Drängen, Drücken,
Arme straff, gekrümmt den Rücken,
Wie ein Atlas an Gebärde,
Hebt er Boden, Rasen, Erde,
Kies und Gries und Sand und Letten,
Unsres Ufers stille Betten.
So zerreißt er eine Strecke
Quer des Thales ruhige Decke.
Angestrengtest, nimmer müde,
Kolossal-Karyatide,
Trägt ein furchtbar Steingerüste,
Noch im Boden bis zur Büste;
Weiter aber soll’s nicht kommen,
Sphinxe haben Platz genommen.
Seismos.
Das hab’ ich ganz allein vermittelt,
Man wird mir’s endlich zugestehn:
Und hätt’ ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
Wie wäre diese Welt so schön? –
Wie ständen eure Berge droben
In prächtig-reinem Aetherblau,
Hätt’ ich sie nicht hervorgeschoben
Zu mahlerisch-entzückter Schau!
Als, Angesichts der höchsten Ahnen,
Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug
Und, in Gesellschaft von Titanen,
Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act" n="1">
        <div type="scene" n="2">
          <sp>
            <p><pb facs="#f0149" n="137"/>
Einer Kreisenden zu Lieb&#x2019;<lb/>
Aus der Wog&#x2019; empor sie trieb.<lb/>
Er, mit Streben, Drängen, Drücken,<lb/>
Arme straff, gekrümmt den Rücken,<lb/>
Wie ein Atlas an Gebärde,<lb/>
Hebt er Boden, Rasen, Erde,<lb/>
Kies und Gries und Sand und Letten,<lb/>
Unsres Ufers stille Betten.<lb/>
So zerreißt er eine Strecke<lb/>
Quer des Thales ruhige Decke.<lb/>
Angestrengtest, nimmer müde,<lb/>
Kolossal-Karyatide,<lb/>
Trägt ein furchtbar Steingerüste,<lb/>
Noch im Boden bis zur Büste;<lb/>
Weiter aber soll&#x2019;s nicht kommen,<lb/>
Sphinxe haben Platz genommen.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Seismos.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Das hab&#x2019; ich ganz allein vermittelt,<lb/>
Man wird mir&#x2019;s endlich zugestehn:<lb/>
Und hätt&#x2019; ich nicht geschüttelt und gerüttelt,<lb/>
Wie wäre diese Welt so schön? &#x2013;<lb/>
Wie ständen eure Berge droben<lb/>
In prächtig-reinem Aetherblau,<lb/>
Hätt&#x2019; ich sie nicht hervorgeschoben<lb/>
Zu mahlerisch-entzückter Schau!<lb/>
Als, Angesichts der höchsten Ahnen,<lb/>
Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug<lb/>
Und, in Gesellschaft von Titanen,<lb/>
Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug.<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0149] Einer Kreisenden zu Lieb’ Aus der Wog’ empor sie trieb. Er, mit Streben, Drängen, Drücken, Arme straff, gekrümmt den Rücken, Wie ein Atlas an Gebärde, Hebt er Boden, Rasen, Erde, Kies und Gries und Sand und Letten, Unsres Ufers stille Betten. So zerreißt er eine Strecke Quer des Thales ruhige Decke. Angestrengtest, nimmer müde, Kolossal-Karyatide, Trägt ein furchtbar Steingerüste, Noch im Boden bis zur Büste; Weiter aber soll’s nicht kommen, Sphinxe haben Platz genommen. Seismos. Das hab’ ich ganz allein vermittelt, Man wird mir’s endlich zugestehn: Und hätt’ ich nicht geschüttelt und gerüttelt, Wie wäre diese Welt so schön? – Wie ständen eure Berge droben In prächtig-reinem Aetherblau, Hätt’ ich sie nicht hervorgeschoben Zu mahlerisch-entzückter Schau! Als, Angesichts der höchsten Ahnen, Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug Und, in Gesellschaft von Titanen, Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/149
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/149>, abgerufen am 28.04.2024.