Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.
Und die Thüre, fest verriegelt, Ist durch Wunderkraft entsiegelt. - Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese Steht in Faustens altem Vließe! Seinen Blicken, seinem Winken, Mögt' ich in die Kniee sinken. Soll ich fliehen? Soll ich stehn? Ach wie wird es mir ergehn! Mephistopheles (winkend). Heran, mein Freund! - Ihr heißet Nicodemus. Famulus. Hochwürdiger Herr! so ist mein Nam' - Oremus. Mephistopheles. Das lassen wir! Famulus. Wie froh! daß ihr mich kennt. Mephistopheles. Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student, Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann Studirt so fort, weil er nicht anders kann. So baut man sich ein mäßig Kartenhaus, Der größte Geist baut's doch nicht völlig aus. Doch euer Meister, das ist ein Beschlagner: Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner, Den ersten jetzt in der gelehrten Welt! Er ist's allein der sie zusammenhält, Der Weisheit täglicher Vermehrer. Allwißbegierige Horcher, Hörer
Und die Thüre, fest verriegelt, Ist durch Wunderkraft entsiegelt. – Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese Steht in Faustens altem Vließe! Seinen Blicken, seinem Winken, Mögt’ ich in die Kniee sinken. Soll ich fliehen? Soll ich stehn? Ach wie wird es mir ergehn! Mephistopheles (winkend). Heran, mein Freund! – Ihr heißet Nicodemus. Famulus. Hochwürdiger Herr! so ist mein Nam’ – Oremus. Mephistopheles. Das lassen wir! Famulus. Wie froh! daß ihr mich kennt. Mephistopheles. Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student, Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann Studirt so fort, weil er nicht anders kann. So baut man sich ein mäßig Kartenhaus, Der größte Geist baut’s doch nicht völlig aus. Doch euer Meister, das ist ein Beschlagner: Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner, Den ersten jetzt in der gelehrten Welt! Er ist’s allein der sie zusammenhält, Der Weisheit täglicher Vermehrer. Allwißbegierige Horcher, Hörer <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0107" n="95"/> Und die Thüre, fest verriegelt,<lb/> Ist durch Wunderkraft entsiegelt. –<lb/> Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese<lb/> Steht in Faustens altem Vließe!<lb/> Seinen Blicken, seinem Winken,<lb/> Mögt’ ich in die Kniee sinken.<lb/> Soll ich fliehen? Soll ich stehn?<lb/> Ach wie wird es mir ergehn!<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles</hi> </speaker> <stage>(winkend).</stage><lb/> <p>Heran, mein Freund! – Ihr heißet Nicodemus.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Famulus.</hi> </speaker><lb/> <p>Hochwürdiger Herr! so ist mein Nam’ – Oremus.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Das lassen wir!<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Famulus.</hi> </speaker><lb/> <p> <hi rendition="#et">Wie froh! daß ihr mich kennt.</hi><lb/> </p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student,<lb/> Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann<lb/> Studirt so fort, weil er nicht anders kann.<lb/> So baut man sich ein mäßig Kartenhaus,<lb/> Der größte Geist baut’s doch nicht völlig aus.<lb/> Doch euer Meister, das ist ein Beschlagner:<lb/> Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner,<lb/> Den ersten jetzt in der gelehrten Welt!<lb/> Er ist’s allein der sie zusammenhält,<lb/> Der Weisheit täglicher Vermehrer.<lb/> Allwißbegierige Horcher, Hörer<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0107]
Und die Thüre, fest verriegelt,
Ist durch Wunderkraft entsiegelt. –
Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese
Steht in Faustens altem Vließe!
Seinen Blicken, seinem Winken,
Mögt’ ich in die Kniee sinken.
Soll ich fliehen? Soll ich stehn?
Ach wie wird es mir ergehn!
Mephistopheles (winkend).
Heran, mein Freund! – Ihr heißet Nicodemus.
Famulus.
Hochwürdiger Herr! so ist mein Nam’ – Oremus.
Mephistopheles.
Das lassen wir!
Famulus.
Wie froh! daß ihr mich kennt.
Mephistopheles.
Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student,
Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann
Studirt so fort, weil er nicht anders kann.
So baut man sich ein mäßig Kartenhaus,
Der größte Geist baut’s doch nicht völlig aus.
Doch euer Meister, das ist ein Beschlagner:
Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner,
Den ersten jetzt in der gelehrten Welt!
Er ist’s allein der sie zusammenhält,
Der Weisheit täglicher Vermehrer.
Allwißbegierige Horcher, Hörer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/107 |
Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/107>, abgerufen am 16.07.2024. |