Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben, Sie welkten hin, ich muß erleben Daß man die frechen Mörder lobt. Wagner. Wie könnt ihr euch darum betrüben! Thut nicht ein braver Mann genug; Die Kunst, die man ihm übertrug, Gewissenhaft und pünctlich auszuüben. Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst, So wirst du gern von ihm empfangen; Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst, So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen. Faust. O! glücklich! wer noch hoffen kann Aus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen. Was man nicht weiß das eben brauchte man, Und was man weiß kann man nicht brauchen. Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut, Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern! Betrachte wie, in Abendsonne-Glut, Die grünumgebnen Hütten schimmern. Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
Ich habe ſelbſt den Gift an Tauſende gegeben, Sie welkten hin, ich muß erleben Daß man die frechen Moͤrder lobt. Wagner. Wie koͤnnt ihr euch darum betruͤben! Thut nicht ein braver Mann genug; Die Kunſt, die man ihm uͤbertrug, Gewiſſenhaft und puͤnctlich auszuuͤben. Wenn du, als Juͤngling, deinen Vater ehrſt, So wirſt du gern von ihm empfangen; Wenn du, als Mann, die Wiſſenſchaft vermehrſt, So kann dein Sohn zu hoͤhrem Ziel gelangen. Fauſt. O! gluͤcklich! wer noch hoffen kann Aus dieſem Meer des Irrthums aufzutauchen. Was man nicht weiß das eben brauchte man, Und was man weiß kann man nicht brauchen. Doch laß uns dieſer Stunde ſchoͤnes Gut, Durch ſolchen Truͤbſinn, nicht verkuͤmmern! Betrachte wie, in Abendſonne-Glut, Die gruͤnumgebnen Huͤtten ſchimmern. Sie ruͤckt und weicht, der Tag iſt uͤberlebt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0077" n="71"/> Ich habe ſelbſt den Gift an Tauſende gegeben,<lb/> Sie welkten hin, ich muß erleben<lb/> Daß man die frechen Moͤrder lobt.</p> </sp><lb/> <sp who="#WAG"> <speaker><hi rendition="#g">Wagner</hi>.</speaker><lb/> <p>Wie koͤnnt ihr euch darum betruͤben!<lb/> Thut nicht ein braver Mann genug;<lb/> Die Kunſt, die man ihm uͤbertrug,<lb/> Gewiſſenhaft und puͤnctlich auszuuͤben.<lb/> Wenn du, als Juͤngling, deinen Vater ehrſt,<lb/> So wirſt du gern von ihm empfangen;<lb/> Wenn du, als Mann, die Wiſſenſchaft vermehrſt,<lb/> So kann dein Sohn zu hoͤhrem Ziel gelangen.</p> </sp><lb/> <sp who="#FAU"> <speaker><hi rendition="#g">Fauſt</hi>.</speaker><lb/> <p>O! gluͤcklich! wer noch hoffen kann<lb/> Aus dieſem Meer des Irrthums aufzutauchen.<lb/> Was man nicht weiß das eben brauchte man,<lb/> Und was man weiß kann man nicht brauchen.<lb/> Doch laß uns dieſer Stunde ſchoͤnes Gut,<lb/> Durch ſolchen Truͤbſinn, nicht verkuͤmmern!<lb/> Betrachte wie, in Abendſonne-Glut,<lb/> Die gruͤnumgebnen Huͤtten ſchimmern.<lb/> Sie ruͤckt und weicht, der Tag iſt uͤberlebt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [71/0077]
Ich habe ſelbſt den Gift an Tauſende gegeben,
Sie welkten hin, ich muß erleben
Daß man die frechen Moͤrder lobt.
Wagner.
Wie koͤnnt ihr euch darum betruͤben!
Thut nicht ein braver Mann genug;
Die Kunſt, die man ihm uͤbertrug,
Gewiſſenhaft und puͤnctlich auszuuͤben.
Wenn du, als Juͤngling, deinen Vater ehrſt,
So wirſt du gern von ihm empfangen;
Wenn du, als Mann, die Wiſſenſchaft vermehrſt,
So kann dein Sohn zu hoͤhrem Ziel gelangen.
Fauſt.
O! gluͤcklich! wer noch hoffen kann
Aus dieſem Meer des Irrthums aufzutauchen.
Was man nicht weiß das eben brauchte man,
Und was man weiß kann man nicht brauchen.
Doch laß uns dieſer Stunde ſchoͤnes Gut,
Durch ſolchen Truͤbſinn, nicht verkuͤmmern!
Betrachte wie, in Abendſonne-Glut,
Die gruͤnumgebnen Huͤtten ſchimmern.
Sie ruͤckt und weicht, der Tag iſt uͤberlebt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |