Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite
Wagner.
Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann!
Bey der Verehrung dieser Menge haben!
O! glücklich! wer von seinen Gaben
Solch einen Vortheil ziehen kann.
Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
Ein jeder fragt und drängt und eilt,
Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die Mützen fliegen in die Höh';
Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,
Als käm' das Venerabile.
Faust.
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
Hier saß ich oft gedankenvoll allein
Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Thränen, Seufzen, Händeringen
Dacht' ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beyfall tönt mir nun wie Hohn.
Wagner.
Welch ein Gefuͤhl mußt du, o großer Mann!
Bey der Verehrung dieſer Menge haben!
O! gluͤcklich! wer von ſeinen Gaben
Solch einen Vortheil ziehen kann.
Der Vater zeigt dich ſeinem Knaben,
Ein jeder fragt und draͤngt und eilt,
Die Fiedel ſtockt, der Taͤnzer weilt.
Du gehſt, in Reihen ſtehen ſie,
Die Muͤtzen fliegen in die Hoͤh’;
Und wenig fehlt, ſo beugten ſich die Knie,
Als kaͤm’ das Venerabile.
Fauſt.
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unſrer Wandrung raſten.
Hier ſaß ich oft gedankenvoll allein
Und quaͤlte mich mit Beten und mit Faſten.
An Hoffnung reich, im Glauben feſt,
Mit Thraͤnen, Seufzen, Haͤnderingen
Dacht’ ich das Ende jener Peſt
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beyfall toͤnt mir nun wie Hohn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0075" n="69"/>
          <sp who="#WAG">
            <speaker><hi rendition="#g">Wagner</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Welch ein Gefu&#x0364;hl mußt du, o großer Mann!<lb/>
Bey der Verehrung die&#x017F;er Menge haben!<lb/>
O! glu&#x0364;cklich! wer von &#x017F;einen Gaben<lb/>
Solch einen Vortheil ziehen kann.<lb/>
Der Vater zeigt dich &#x017F;einem Knaben,<lb/>
Ein jeder fragt und dra&#x0364;ngt und eilt,<lb/>
Die Fiedel &#x017F;tockt, der Ta&#x0364;nzer weilt.<lb/>
Du geh&#x017F;t, in Reihen &#x017F;tehen &#x017F;ie,<lb/>
Die Mu&#x0364;tzen fliegen in die Ho&#x0364;h&#x2019;;<lb/>
Und wenig fehlt, &#x017F;o beugten &#x017F;ich die Knie,<lb/>
Als ka&#x0364;m&#x2019; das Venerabile.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#FAU">
            <speaker><hi rendition="#g">Fau&#x017F;t</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,<lb/>
Hier wollen wir von un&#x017F;rer Wandrung ra&#x017F;ten.<lb/>
Hier &#x017F;aß ich oft gedankenvoll allein<lb/>
Und qua&#x0364;lte mich mit Beten und mit Fa&#x017F;ten.<lb/>
An Hoffnung reich, im Glauben fe&#x017F;t,<lb/>
Mit Thra&#x0364;nen, Seufzen, Ha&#x0364;nderingen<lb/>
Dacht&#x2019; ich das Ende jener Pe&#x017F;t<lb/>
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.<lb/>
Der Menge Beyfall to&#x0364;nt mir nun wie Hohn.<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0075] Wagner. Welch ein Gefuͤhl mußt du, o großer Mann! Bey der Verehrung dieſer Menge haben! O! gluͤcklich! wer von ſeinen Gaben Solch einen Vortheil ziehen kann. Der Vater zeigt dich ſeinem Knaben, Ein jeder fragt und draͤngt und eilt, Die Fiedel ſtockt, der Taͤnzer weilt. Du gehſt, in Reihen ſtehen ſie, Die Muͤtzen fliegen in die Hoͤh’; Und wenig fehlt, ſo beugten ſich die Knie, Als kaͤm’ das Venerabile. Fauſt. Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, Hier wollen wir von unſrer Wandrung raſten. Hier ſaß ich oft gedankenvoll allein Und quaͤlte mich mit Beten und mit Faſten. An Hoffnung reich, im Glauben feſt, Mit Thraͤnen, Seufzen, Haͤnderingen Dacht’ ich das Ende jener Peſt Vom Herrn des Himmels zu erzwingen. Der Menge Beyfall toͤnt mir nun wie Hohn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/75
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/75>, abgerufen am 24.11.2024.