Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808.
Womit der Geist sich selbst umfängt! Verflucht das Blenden der Erscheinung, Die sich an unsre Sinne drängt! Verflucht was uns in Träumen heuchelt, Des Ruhms, der Namensdauer Trug! Verflucht was als Besitz uns schmeichelt, Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! Verflucht sey Mammon, wenn mit Schätzen Er uns zu kühnen Thaten regt, Wenn er zu müßigem Ergetzen Die Polster uns zurechte legt! Fluch sey dem Balsamsaft der Trauben! Fluch jener höchsten Liebeshuld! Fluch sey der Hoffnung! Fluch dem Glauben, Und Fluch vor allen der Geduld! Geisterchor unsichtbar. Weh! weh! Du hast sie zerstört, Die schöne Welt, Mit mächtiger Faust, Sie stürzt, sie zerfällt! Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Womit der Geiſt ſich ſelbſt umfaͤngt! Verflucht das Blenden der Erſcheinung, Die ſich an unſre Sinne draͤngt! Verflucht was uns in Traͤumen heuchelt, Des Ruhms, der Namensdauer Trug! Verflucht was als Beſitz uns ſchmeichelt, Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! Verflucht ſey Mammon, wenn mit Schaͤtzen Er uns zu kuͤhnen Thaten regt, Wenn er zu muͤßigem Ergetzen Die Polſter uns zurechte legt! Fluch ſey dem Balſamſaft der Trauben! Fluch jener hoͤchſten Liebeshuld! Fluch ſey der Hoffnung! Fluch dem Glauben, Und Fluch vor allen der Geduld! Geiſterchor unſichtbar. Weh! weh! Du haſt ſie zerſtoͤrt, Die ſchoͤne Welt, Mit maͤchtiger Fauſt, Sie ſtuͤrzt, ſie zerfaͤllt! Ein Halbgott hat ſie zerſchlagen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#FAU"> <p><pb facs="#f0107" n="101"/> Womit der Geiſt ſich ſelbſt umfaͤngt!<lb/> Verflucht das Blenden der Erſcheinung,<lb/> Die ſich an unſre Sinne draͤngt!<lb/> Verflucht was uns in Traͤumen heuchelt,<lb/> Des Ruhms, der Namensdauer Trug!<lb/> Verflucht was als Beſitz uns ſchmeichelt,<lb/> Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!<lb/> Verflucht ſey Mammon, wenn mit Schaͤtzen<lb/> Er uns zu kuͤhnen Thaten regt,<lb/> Wenn er zu muͤßigem Ergetzen<lb/> Die Polſter uns zurechte legt!<lb/> Fluch ſey dem Balſamſaft der Trauben!<lb/> Fluch jener hoͤchſten Liebeshuld!<lb/> Fluch ſey der Hoffnung! Fluch dem Glauben,<lb/> Und Fluch vor allen der Geduld!</p> </sp><lb/> <sp who="#GEISCHOR"> <speaker> <hi rendition="#g">Geiſterchor</hi> </speaker> <stage>unſichtbar.</stage><lb/> <p> <hi rendition="#et">Weh! weh!<lb/> Du haſt ſie zerſtoͤrt,<lb/> Die ſchoͤne Welt,<lb/> Mit maͤchtiger Fauſt,<lb/> Sie ſtuͤrzt, ſie zerfaͤllt!<lb/> Ein Halbgott hat ſie zerſchlagen!<lb/></hi> </p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0107]
Womit der Geiſt ſich ſelbſt umfaͤngt!
Verflucht das Blenden der Erſcheinung,
Die ſich an unſre Sinne draͤngt!
Verflucht was uns in Traͤumen heuchelt,
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
Verflucht was als Beſitz uns ſchmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht ſey Mammon, wenn mit Schaͤtzen
Er uns zu kuͤhnen Thaten regt,
Wenn er zu muͤßigem Ergetzen
Die Polſter uns zurechte legt!
Fluch ſey dem Balſamſaft der Trauben!
Fluch jener hoͤchſten Liebeshuld!
Fluch ſey der Hoffnung! Fluch dem Glauben,
Und Fluch vor allen der Geduld!
Geiſterchor unſichtbar.
Weh! weh!
Du haſt ſie zerſtoͤrt,
Die ſchoͤne Welt,
Mit maͤchtiger Fauſt,
Sie ſtuͤrzt, ſie zerfaͤllt!
Ein Halbgott hat ſie zerſchlagen!
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust01_1808/107>, abgerufen am 23.07.2024. |