Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808. Mephistopheles. Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst Und fragst wie alles sich bey uns befinde, Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst; So siehst du mich auch unter dem Gesinde. Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt; Mein Pathos brächte dich gewiß zum lachen, Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt. Von Sonn' und Welten weiß ich nichts zu sagen, Ich sehe nur wie sich die Menschen plagen. Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag, Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. Ein wenig besser würd' er leben, Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; Er nennts Vernunft und braucht's allein Nur thierischer als jedes Thier zu seyn. Er scheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden, Wie eine der langbeinigen Cicaden, Die immer fliegt und fliegend springt Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt; Mephiſtopheles. Da du, o Herr, dich einmal wieder nahſt Und fragſt wie alles ſich bey uns befinde, Und du mich ſonſt gewoͤhnlich gerne ſahſt; So ſiehſt du mich auch unter dem Geſinde. Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, Und wenn mich auch der ganze Kreis verhoͤhnt; Mein Pathos braͤchte dich gewiß zum lachen, Haͤttſt du dir nicht das Lachen abgewoͤhnt. Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu ſagen, Ich ſehe nur wie ſich die Menſchen plagen. Der kleine Gott der Welt bleibt ſtets von gleichem Schlag, Und iſt ſo wunderlich als wie am erſten Tag. Ein wenig beſſer wuͤrd’ er leben, Haͤttſt du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; Er nennts Vernunft und braucht’s allein Nur thieriſcher als jedes Thier zu ſeyn. Er ſcheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden, Wie eine der langbeinigen Cicaden, Die immer fliegt und fliegend ſpringt Und gleich im Gras ihr altes Liedchen ſingt; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0031" n="25"/> <sp who="#MEP"> <speaker><hi rendition="#g">Mephiſtopheles</hi>.</speaker><lb/> <p>Da du, o Herr, dich einmal wieder nahſt<lb/> Und fragſt wie alles ſich bey uns befinde,<lb/> Und du mich ſonſt gewoͤhnlich gerne ſahſt;<lb/> So ſiehſt du mich auch unter dem Geſinde.<lb/> Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,<lb/> Und wenn mich auch der ganze Kreis verhoͤhnt;<lb/> Mein Pathos braͤchte dich gewiß zum lachen,<lb/> Haͤttſt du dir nicht das Lachen abgewoͤhnt.<lb/> Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu ſagen,<lb/> Ich ſehe nur wie ſich die Menſchen plagen.<lb/> Der kleine Gott der Welt bleibt ſtets von gleichem Schlag,<lb/> Und iſt ſo wunderlich als wie am erſten Tag.<lb/> Ein wenig beſſer wuͤrd’ er leben,<lb/> Haͤttſt du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;<lb/> Er nennts Vernunft und braucht’s allein<lb/> Nur thieriſcher als jedes Thier zu ſeyn.<lb/> Er ſcheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden,<lb/> Wie eine der langbeinigen Cicaden,<lb/> Die immer fliegt und fliegend ſpringt<lb/> Und gleich im Gras ihr altes Liedchen ſingt;<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [25/0031]
Mephiſtopheles.
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahſt
Und fragſt wie alles ſich bey uns befinde,
Und du mich ſonſt gewoͤhnlich gerne ſahſt;
So ſiehſt du mich auch unter dem Geſinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhoͤhnt;
Mein Pathos braͤchte dich gewiß zum lachen,
Haͤttſt du dir nicht das Lachen abgewoͤhnt.
Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu ſagen,
Ich ſehe nur wie ſich die Menſchen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt ſtets von gleichem Schlag,
Und iſt ſo wunderlich als wie am erſten Tag.
Ein wenig beſſer wuͤrd’ er leben,
Haͤttſt du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennts Vernunft und braucht’s allein
Nur thieriſcher als jedes Thier zu ſeyn.
Er ſcheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Cicaden,
Die immer fliegt und fliegend ſpringt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen ſingt;
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