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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Aepfel roth, so wie die Blätter, weil nur geringe
Nahrung ausgekocht wird, dann werden sie grün,
wenn viel Saft zuströmt und die Kochung nicht mit
gleicher Kraft vor sich geht. Zuletzt aber, wenn die
Kochung vollendet ist, entsteht wieder die rothe Farbe.

81.

Ueberhaupt aber gilt von den Haaren und Federn,
daß sie sich verändern, theils, wenn ihnen die Nah-
rung fehlt, theils, wenn sie zu reichlich ist. Deßhalb
werden auf verschiedenen Stufen des Alters die Haare
sehr weiß, so wie sehr schwarz. Manchmal gehen so-
gar die Rabenfedern in eine gelbe Farbe über, wenn
ihnen die Nahrung mangelt.

82.

Unter den Haaren gibt es aber keine scharlach-
noch purpurrothe, so wenig als lauchgrüne oder von
sonst einer Farbe dieser Art, weil diese Farben zu ih-
rer Entstehung die Beymischung der Sonnenstrahlen
bedürfen. Diese nehmen aber die feuchten Haare nicht
an, sondern sie sind an innere Veränderungen gebun-
den. Dagegen sind die Federn zu Anfang nicht wie
in der Folge gefärbt. Denn auch die bunten Vögel
haben anfangs fast alle schwarze Federn, als der Pfau,
die Taube und die Schwalbe. Nachher nehmen sie
aber große Mannigfaltigkeit an, indem die Kochung
außerhalb des Körpers vor sich geht, sowohl in den
Kielen als in den Verzweigungen derselben, wie bey
den Pflanzen außerhalb der Erde; (daher können die

Aepfel roth, ſo wie die Blaͤtter, weil nur geringe
Nahrung ausgekocht wird, dann werden ſie gruͤn,
wenn viel Saft zuſtroͤmt und die Kochung nicht mit
gleicher Kraft vor ſich geht. Zuletzt aber, wenn die
Kochung vollendet iſt, entſteht wieder die rothe Farbe.

81.

Ueberhaupt aber gilt von den Haaren und Federn,
daß ſie ſich veraͤndern, theils, wenn ihnen die Nah-
rung fehlt, theils, wenn ſie zu reichlich iſt. Deßhalb
werden auf verſchiedenen Stufen des Alters die Haare
ſehr weiß, ſo wie ſehr ſchwarz. Manchmal gehen ſo-
gar die Rabenfedern in eine gelbe Farbe uͤber, wenn
ihnen die Nahrung mangelt.

82.

Unter den Haaren gibt es aber keine ſcharlach-
noch purpurrothe, ſo wenig als lauchgruͤne oder von
ſonſt einer Farbe dieſer Art, weil dieſe Farben zu ih-
rer Entſtehung die Beymiſchung der Sonnenſtrahlen
beduͤrfen. Dieſe nehmen aber die feuchten Haare nicht
an, ſondern ſie ſind an innere Veraͤnderungen gebun-
den. Dagegen ſind die Federn zu Anfang nicht wie
in der Folge gefaͤrbt. Denn auch die bunten Voͤgel
haben anfangs faſt alle ſchwarze Federn, als der Pfau,
die Taube und die Schwalbe. Nachher nehmen ſie
aber große Mannigfaltigkeit an, indem die Kochung
außerhalb des Koͤrpers vor ſich geht, ſowohl in den
Kielen als in den Verzweigungen derſelben, wie bey
den Pflanzen außerhalb der Erde; (daher koͤnnen die

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[52/0086] Aepfel roth, ſo wie die Blaͤtter, weil nur geringe Nahrung ausgekocht wird, dann werden ſie gruͤn, wenn viel Saft zuſtroͤmt und die Kochung nicht mit gleicher Kraft vor ſich geht. Zuletzt aber, wenn die Kochung vollendet iſt, entſteht wieder die rothe Farbe. 81. Ueberhaupt aber gilt von den Haaren und Federn, daß ſie ſich veraͤndern, theils, wenn ihnen die Nah- rung fehlt, theils, wenn ſie zu reichlich iſt. Deßhalb werden auf verſchiedenen Stufen des Alters die Haare ſehr weiß, ſo wie ſehr ſchwarz. Manchmal gehen ſo- gar die Rabenfedern in eine gelbe Farbe uͤber, wenn ihnen die Nahrung mangelt. 82. Unter den Haaren gibt es aber keine ſcharlach- noch purpurrothe, ſo wenig als lauchgruͤne oder von ſonſt einer Farbe dieſer Art, weil dieſe Farben zu ih- rer Entſtehung die Beymiſchung der Sonnenſtrahlen beduͤrfen. Dieſe nehmen aber die feuchten Haare nicht an, ſondern ſie ſind an innere Veraͤnderungen gebun- den. Dagegen ſind die Federn zu Anfang nicht wie in der Folge gefaͤrbt. Denn auch die bunten Voͤgel haben anfangs faſt alle ſchwarze Federn, als der Pfau, die Taube und die Schwalbe. Nachher nehmen ſie aber große Mannigfaltigkeit an, indem die Kochung außerhalb des Koͤrpers vor ſich geht, ſowohl in den Kielen als in den Verzweigungen derſelben, wie bey den Pflanzen außerhalb der Erde; (daher koͤnnen die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/86>, abgerufen am 20.04.2024.