Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
Confession des Verfassers.

Da uns, wenn wir an irgend einem Geschehenen
Theil nehmen, nichts willkommener seyn kann, als daß
Personen welche mitgewirkt, uns die besondern Um-
stände offenbaren mögen, wie dieses oder jenes Ereig-
niß seinen Ursprung genommen, und dieß sowohl von
der politischen als wissenschaftlichen Geschichte gilt;
auch in beyden nichts so klein geachtet werden mag,
das nicht irgend einem Nachkommenden einmal bedeu-
tend seyn könnte: so habe ich nicht unterlassen wollen,
nachdem ich dem Lebensgange so mancher andern nach-
gespürt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu diesen phy-
sischen und besonders chromatischen Untersuchungen ge-
langt bin; welches um so mehr erwartet werden darf,
weil eine solche Beschäftigung schon Manchem als mei-
nem übrigen Lebensgange fremd erschienen ist.

Die Menge mag wohl Jemanden irgend ein Ta-
lent zugestehen, worin er sich thätig bewiesen und wo-
bey das Glück sich ihm nicht abhold gezeigt; will er
aber in ein andres Fach übergehen und seine Künste
vervielfältigen, so scheint es als wenn er die Rechte
verletze, die er einmal der öffentlichen Meynung über
sich eingeräumt, und es werden daher seine Bemühun-
gen in einer neuen Region selten freundlich und gefällig
aufgenommen.

Hierin kann die Menge wohl einigermaßen Recht

Confeſſion des Verfaſſers.

Da uns, wenn wir an irgend einem Geſchehenen
Theil nehmen, nichts willkommener ſeyn kann, als daß
Perſonen welche mitgewirkt, uns die beſondern Um-
ſtaͤnde offenbaren moͤgen, wie dieſes oder jenes Ereig-
niß ſeinen Urſprung genommen, und dieß ſowohl von
der politiſchen als wiſſenſchaftlichen Geſchichte gilt;
auch in beyden nichts ſo klein geachtet werden mag,
das nicht irgend einem Nachkommenden einmal bedeu-
tend ſeyn koͤnnte: ſo habe ich nicht unterlaſſen wollen,
nachdem ich dem Lebensgange ſo mancher andern nach-
geſpuͤrt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu dieſen phy-
ſiſchen und beſonders chromatiſchen Unterſuchungen ge-
langt bin; welches um ſo mehr erwartet werden darf,
weil eine ſolche Beſchaͤftigung ſchon Manchem als mei-
nem uͤbrigen Lebensgange fremd erſchienen iſt.

Die Menge mag wohl Jemanden irgend ein Ta-
lent zugeſtehen, worin er ſich thaͤtig bewieſen und wo-
bey das Gluͤck ſich ihm nicht abhold gezeigt; will er
aber in ein andres Fach uͤbergehen und ſeine Kuͤnſte
vervielfaͤltigen, ſo ſcheint es als wenn er die Rechte
verletze, die er einmal der oͤffentlichen Meynung uͤber
ſich eingeraͤumt, und es werden daher ſeine Bemuͤhun-
gen in einer neuen Region ſelten freundlich und gefaͤllig
aufgenommen.

Hierin kann die Menge wohl einigermaßen Recht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0700" n="666"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Confe&#x017F;&#x017F;ion des Verfa&#x017F;&#x017F;ers</hi>.</head><lb/>
            <p>Da uns, wenn wir an irgend einem Ge&#x017F;chehenen<lb/>
Theil nehmen, nichts willkommener &#x017F;eyn kann, als daß<lb/>
Per&#x017F;onen welche mitgewirkt, uns die be&#x017F;ondern Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde offenbaren mo&#x0364;gen, wie die&#x017F;es oder jenes Ereig-<lb/>
niß &#x017F;einen Ur&#x017F;prung genommen, und dieß &#x017F;owohl von<lb/>
der politi&#x017F;chen als wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Ge&#x017F;chichte gilt;<lb/>
auch in beyden nichts &#x017F;o klein geachtet werden mag,<lb/>
das nicht irgend einem Nachkommenden einmal bedeu-<lb/>
tend &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte: &#x017F;o habe ich nicht unterla&#x017F;&#x017F;en wollen,<lb/>
nachdem ich dem Lebensgange &#x017F;o mancher andern nach-<lb/>
ge&#x017F;pu&#x0364;rt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu die&#x017F;en phy-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen und be&#x017F;onders chromati&#x017F;chen Unter&#x017F;uchungen ge-<lb/>
langt bin; welches um &#x017F;o mehr erwartet werden darf,<lb/>
weil eine &#x017F;olche Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung &#x017F;chon Manchem als mei-<lb/>
nem u&#x0364;brigen Lebensgange fremd er&#x017F;chienen i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Die Menge mag wohl Jemanden irgend ein Ta-<lb/>
lent zuge&#x017F;tehen, worin er &#x017F;ich tha&#x0364;tig bewie&#x017F;en und wo-<lb/>
bey das Glu&#x0364;ck &#x017F;ich ihm nicht abhold gezeigt; will er<lb/>
aber in ein andres Fach u&#x0364;bergehen und &#x017F;eine Ku&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
vervielfa&#x0364;ltigen, &#x017F;o &#x017F;cheint es als wenn er die Rechte<lb/>
verletze, die er einmal der o&#x0364;ffentlichen Meynung u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;ich eingera&#x0364;umt, und es werden daher &#x017F;eine Bemu&#x0364;hun-<lb/>
gen in einer neuen Region &#x017F;elten freundlich und gefa&#x0364;llig<lb/>
aufgenommen.</p><lb/>
            <p>Hierin kann die Menge wohl einigermaßen Recht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[666/0700] Confeſſion des Verfaſſers. Da uns, wenn wir an irgend einem Geſchehenen Theil nehmen, nichts willkommener ſeyn kann, als daß Perſonen welche mitgewirkt, uns die beſondern Um- ſtaͤnde offenbaren moͤgen, wie dieſes oder jenes Ereig- niß ſeinen Urſprung genommen, und dieß ſowohl von der politiſchen als wiſſenſchaftlichen Geſchichte gilt; auch in beyden nichts ſo klein geachtet werden mag, das nicht irgend einem Nachkommenden einmal bedeu- tend ſeyn koͤnnte: ſo habe ich nicht unterlaſſen wollen, nachdem ich dem Lebensgange ſo mancher andern nach- geſpuͤrt, gleichfalls aufzuzeichnen, wie ich zu dieſen phy- ſiſchen und beſonders chromatiſchen Unterſuchungen ge- langt bin; welches um ſo mehr erwartet werden darf, weil eine ſolche Beſchaͤftigung ſchon Manchem als mei- nem uͤbrigen Lebensgange fremd erſchienen iſt. Die Menge mag wohl Jemanden irgend ein Ta- lent zugeſtehen, worin er ſich thaͤtig bewieſen und wo- bey das Gluͤck ſich ihm nicht abhold gezeigt; will er aber in ein andres Fach uͤbergehen und ſeine Kuͤnſte vervielfaͤltigen, ſo ſcheint es als wenn er die Rechte verletze, die er einmal der oͤffentlichen Meynung uͤber ſich eingeraͤumt, und es werden daher ſeine Bemuͤhun- gen in einer neuen Region ſelten freundlich und gefaͤllig aufgenommen. Hierin kann die Menge wohl einigermaßen Recht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/700
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 666. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/700>, abgerufen am 22.11.2024.