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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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zusammengesetzte, die sich verhalten wie die einfachen;
jedoch, da ihre Mischungen einigen Spielraum haben,
nicht eben eine entschiedene, voraus zu sagende Wir-
kung hervorbringen.

24.

Wenn wir z. B. von der Entstehung der blau-
oder gelbrothen Farbe sprechen, so müssen wir auch die
Erzeugung solcher Farben angeben, die aus diesen ge-
mischt werden und eine ganz verschiedene Erscheinung
verursachen, und zwar sollen wir immer aus den an-
gezeigten Grundsätzen folgern. So erzeugt sich die
Weinfarbe, wenn mit reinem und leuchtendem Schwarz
sich lichte Strahlen verbinden. Dies geschieht auch
körperlich an den Weinbeeren; denn indem sie reifen,
sind sie von weinhafter Farbe, wenn sie sich aber
schwärzen, so geht das Gelbrothe ins Blaurothe hin-
über.

25.

Nun muß man aber auf die angezeigte Weise alle
Verschiedenheit der Farben betrachten, welche bey man-
nigfaltiger Bewegung sich doch selber ähnlich bleiben,
je nachdem ihre Mischung beschaffen ist; und so wer-
den wir uns von den Ursachen der Erscheinung, wel-
che sie sowohl beym Entstehen, als beym wechselseiti-
gen Wirken hervorbringen, völlig überzeugen. Allein
man muß die Betrachtung hierüber nicht anstellen, in-
dem man die Farben vermischt, wie der Maler, son-
dern indem man, wie vorgesagt, die zurückgeworfe-
nen Strahlen auf einander wirken läßt, denn auf die-

zuſammengeſetzte, die ſich verhalten wie die einfachen;
jedoch, da ihre Miſchungen einigen Spielraum haben,
nicht eben eine entſchiedene, voraus zu ſagende Wir-
kung hervorbringen.

24.

Wenn wir z. B. von der Entſtehung der blau-
oder gelbrothen Farbe ſprechen, ſo muͤſſen wir auch die
Erzeugung ſolcher Farben angeben, die aus dieſen ge-
miſcht werden und eine ganz verſchiedene Erſcheinung
verurſachen, und zwar ſollen wir immer aus den an-
gezeigten Grundſaͤtzen folgern. So erzeugt ſich die
Weinfarbe, wenn mit reinem und leuchtendem Schwarz
ſich lichte Strahlen verbinden. Dies geſchieht auch
koͤrperlich an den Weinbeeren; denn indem ſie reifen,
ſind ſie von weinhafter Farbe, wenn ſie ſich aber
ſchwaͤrzen, ſo geht das Gelbrothe ins Blaurothe hin-
uͤber.

25.

Nun muß man aber auf die angezeigte Weiſe alle
Verſchiedenheit der Farben betrachten, welche bey man-
nigfaltiger Bewegung ſich doch ſelber aͤhnlich bleiben,
je nachdem ihre Miſchung beſchaffen iſt; und ſo wer-
den wir uns von den Urſachen der Erſcheinung, wel-
che ſie ſowohl beym Entſtehen, als beym wechſelſeiti-
gen Wirken hervorbringen, voͤllig uͤberzeugen. Allein
man muß die Betrachtung hieruͤber nicht anſtellen, in-
dem man die Farben vermiſcht, wie der Maler, ſon-
dern indem man, wie vorgeſagt, die zuruͤckgeworfe-
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[30/0064] zuſammengeſetzte, die ſich verhalten wie die einfachen; jedoch, da ihre Miſchungen einigen Spielraum haben, nicht eben eine entſchiedene, voraus zu ſagende Wir- kung hervorbringen. 24. Wenn wir z. B. von der Entſtehung der blau- oder gelbrothen Farbe ſprechen, ſo muͤſſen wir auch die Erzeugung ſolcher Farben angeben, die aus dieſen ge- miſcht werden und eine ganz verſchiedene Erſcheinung verurſachen, und zwar ſollen wir immer aus den an- gezeigten Grundſaͤtzen folgern. So erzeugt ſich die Weinfarbe, wenn mit reinem und leuchtendem Schwarz ſich lichte Strahlen verbinden. Dies geſchieht auch koͤrperlich an den Weinbeeren; denn indem ſie reifen, ſind ſie von weinhafter Farbe, wenn ſie ſich aber ſchwaͤrzen, ſo geht das Gelbrothe ins Blaurothe hin- uͤber. 25. Nun muß man aber auf die angezeigte Weiſe alle Verſchiedenheit der Farben betrachten, welche bey man- nigfaltiger Bewegung ſich doch ſelber aͤhnlich bleiben, je nachdem ihre Miſchung beſchaffen iſt; und ſo wer- den wir uns von den Urſachen der Erſcheinung, wel- che ſie ſowohl beym Entſtehen, als beym wechſelſeiti- gen Wirken hervorbringen, voͤllig uͤberzeugen. Allein man muß die Betrachtung hieruͤber nicht anſtellen, in- dem man die Farben vermiſcht, wie der Maler, ſon- dern indem man, wie vorgeſagt, die zuruͤckgeworfe- nen Strahlen auf einander wirken laͤßt, denn auf die-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/64>, abgerufen am 28.03.2024.