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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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liefert der Kunst sich in der Experimentalphilosophie
zu benehmen."

Was man sich unter Experimentalphilosophie ge-
dacht, ist oben schon ausgeführt, so wie wir auch ge-
hörigen Orts dargethan haben, daß man nie verkehr-
ter zu Werke gegangen ist, um eine Theorie auf Ex-
perimente aufzubauen, oder, wenn man will, Experi-
mente an eine Theorie anzuschließen.

"Will man die Natur durch Erfahrungen und
Beobachtungen fragen, so muß man sie fragen wie
Herr Newton, auf eine so gewandte und dringende
Weise."

Die Ausdrücke gewandt und dringend sind
recht wohl angebracht, um die Newtonische künstliche
Behandlungsweise auszudrücken. Die englischen Lobred-
ner sprechen gar von nice Experiments, welches Bey-
wort alles was genau und streng, scharf, ja spitzfün-
dig, behutsam, vorsichtig, bedenklich, gewissenhaft und
pünctlich bis zur Uebertreibung und Kleinlichkeit ein-
schließt. Wir können aber ganz kühnlich sagen: die
Experimente sind einseitig, man läßt den Zuschauer
nicht alles sehen, am wenigsten das, worauf es eigent-
lich ankommt; sie sind unnöthig umständlich, wodurch
die Aufmerksamkeit zerstreut wird; sie sind complicirt,
wodurch sie sich der Beurtheilung entziehen und also
durchaus taschenspielerisch.

liefert der Kunſt ſich in der Experimentalphiloſophie
zu benehmen.“

Was man ſich unter Experimentalphiloſophie ge-
dacht, iſt oben ſchon ausgefuͤhrt, ſo wie wir auch ge-
hoͤrigen Orts dargethan haben, daß man nie verkehr-
ter zu Werke gegangen iſt, um eine Theorie auf Ex-
perimente aufzubauen, oder, wenn man will, Experi-
mente an eine Theorie anzuſchließen.

„Will man die Natur durch Erfahrungen und
Beobachtungen fragen, ſo muß man ſie fragen wie
Herr Newton, auf eine ſo gewandte und dringende
Weiſe.“

Die Ausdruͤcke gewandt und dringend ſind
recht wohl angebracht, um die Newtoniſche kuͤnſtliche
Behandlungsweiſe auszudruͤcken. Die engliſchen Lobred-
ner ſprechen gar von nice Experiments, welches Bey-
wort alles was genau und ſtreng, ſcharf, ja ſpitzfuͤn-
dig, behutſam, vorſichtig, bedenklich, gewiſſenhaft und
puͤnctlich bis zur Uebertreibung und Kleinlichkeit ein-
ſchließt. Wir koͤnnen aber ganz kuͤhnlich ſagen: die
Experimente ſind einſeitig, man laͤßt den Zuſchauer
nicht alles ſehen, am wenigſten das, worauf es eigent-
lich ankommt; ſie ſind unnoͤthig umſtaͤndlich, wodurch
die Aufmerkſamkeit zerſtreut wird; ſie ſind complicirt,
wodurch ſie ſich der Beurtheilung entziehen und alſo
durchaus taſchenſpieleriſch.

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[505/0539] liefert der Kunſt ſich in der Experimentalphiloſophie zu benehmen.“ Was man ſich unter Experimentalphiloſophie ge- dacht, iſt oben ſchon ausgefuͤhrt, ſo wie wir auch ge- hoͤrigen Orts dargethan haben, daß man nie verkehr- ter zu Werke gegangen iſt, um eine Theorie auf Ex- perimente aufzubauen, oder, wenn man will, Experi- mente an eine Theorie anzuſchließen. „Will man die Natur durch Erfahrungen und Beobachtungen fragen, ſo muß man ſie fragen wie Herr Newton, auf eine ſo gewandte und dringende Weiſe.“ Die Ausdruͤcke gewandt und dringend ſind recht wohl angebracht, um die Newtoniſche kuͤnſtliche Behandlungsweiſe auszudruͤcken. Die engliſchen Lobred- ner ſprechen gar von nice Experiments, welches Bey- wort alles was genau und ſtreng, ſcharf, ja ſpitzfuͤn- dig, behutſam, vorſichtig, bedenklich, gewiſſenhaft und puͤnctlich bis zur Uebertreibung und Kleinlichkeit ein- ſchließt. Wir koͤnnen aber ganz kuͤhnlich ſagen: die Experimente ſind einſeitig, man laͤßt den Zuſchauer nicht alles ſehen, am wenigſten das, worauf es eigent- lich ankommt; ſie ſind unnoͤthig umſtaͤndlich, wodurch die Aufmerkſamkeit zerſtreut wird; ſie ſind complicirt, wodurch ſie ſich der Beurtheilung entziehen und alſo durchaus taſchenſpieleriſch.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/539>, abgerufen am 22.11.2024.