Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

In Deutschland folgten die Bildnißmaler theils
der Manier des Rigaud und Largilliere, theils ar-
beiteten sie, wie Kupezky und andre, mit dunklerer
Beleuchtung und Farbe, und haben überhaupt wenig
Anmuth. Unter den Geschichtsmalern waren Daniel
Gran und Holzer die vorzüglichsten, von deren größern
wohlerhaltenen Werken Schreiber dieser Nachrichten
keine anschauliche Kenntniß hat; allein er vermuthet
sie werden, was die Harmonie der Farben betrifft,
ihren übrigen Zeitgenossen wenig überlegen seyn, zu-
mal Gran, welcher unter Carl Maratti und Solimena
studirt hatte. Auf diese folgte nun C. W. E. Dietrich,
geboren 1712, welcher eigentlich Misbrauch von bunten
Farben gemacht, ausgenommen da, wo er die Manier
niederländischer Maler nachgeahmt und vermittelst des
Tons Uebereinstimmung erzielt hat.

Friedrich Oeser, wenige Jahre später geboren als
Dietrich, war allerdings ein Künstler von großen
Talenten und man kann ihm eine Neigung zum Ueber-
einstimmenden nicht abläugnen; doch hat er solches
nicht durch kunstmäßige Vertheilung der Farben, son-
dern durch Dämpfung ihres natürlichen Glanzes zu
erreichen gesucht, so daß die Harmonie seiner Bilder
eigentlich aus dem schwachen Colorit derselben ent-
springt.

Bald nach Oeser trat sodann Mengs auf und
erwarb sich unsterblichen Ruhm, indem durch sein
Bemühen und Beyspiel die Malerey überhaupt zu

In Deutſchland folgten die Bildnißmaler theils
der Manier des Rigaud und Largilliere, theils ar-
beiteten ſie, wie Kupezky und andre, mit dunklerer
Beleuchtung und Farbe, und haben uͤberhaupt wenig
Anmuth. Unter den Geſchichtsmalern waren Daniel
Gran und Holzer die vorzuͤglichſten, von deren groͤßern
wohlerhaltenen Werken Schreiber dieſer Nachrichten
keine anſchauliche Kenntniß hat; allein er vermuthet
ſie werden, was die Harmonie der Farben betrifft,
ihren uͤbrigen Zeitgenoſſen wenig uͤberlegen ſeyn, zu-
mal Gran, welcher unter Carl Maratti und Solimena
ſtudirt hatte. Auf dieſe folgte nun C. W. E. Dietrich,
geboren 1712, welcher eigentlich Misbrauch von bunten
Farben gemacht, ausgenommen da, wo er die Manier
niederlaͤndiſcher Maler nachgeahmt und vermittelſt des
Tons Uebereinſtimmung erzielt hat.

Friedrich Oeſer, wenige Jahre ſpaͤter geboren als
Dietrich, war allerdings ein Kuͤnſtler von großen
Talenten und man kann ihm eine Neigung zum Ueber-
einſtimmenden nicht ablaͤugnen; doch hat er ſolches
nicht durch kunſtmaͤßige Vertheilung der Farben, ſon-
dern durch Daͤmpfung ihres natuͤrlichen Glanzes zu
erreichen geſucht, ſo daß die Harmonie ſeiner Bilder
eigentlich aus dem ſchwachen Colorit derſelben ent-
ſpringt.

Bald nach Oeſer trat ſodann Mengs auf und
erwarb ſich unſterblichen Ruhm, indem durch ſein
Bemuͤhen und Beyſpiel die Malerey uͤberhaupt zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0407" n="373"/>
          <p>In Deut&#x017F;chland folgten die Bildnißmaler theils<lb/>
der Manier des Rigaud und Largilliere, theils ar-<lb/>
beiteten &#x017F;ie, wie Kupezky und andre, mit dunklerer<lb/>
Beleuchtung und Farbe, und haben u&#x0364;berhaupt wenig<lb/>
Anmuth. Unter den Ge&#x017F;chichtsmalern waren Daniel<lb/>
Gran und Holzer die vorzu&#x0364;glich&#x017F;ten, von deren gro&#x0364;ßern<lb/>
wohlerhaltenen Werken Schreiber die&#x017F;er Nachrichten<lb/>
keine an&#x017F;chauliche Kenntniß hat; allein er vermuthet<lb/>
&#x017F;ie werden, was die Harmonie der Farben betrifft,<lb/>
ihren u&#x0364;brigen Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en wenig u&#x0364;berlegen &#x017F;eyn, zu-<lb/>
mal Gran, welcher unter Carl Maratti und Solimena<lb/>
&#x017F;tudirt hatte. Auf die&#x017F;e folgte nun C. W. E. Dietrich,<lb/>
geboren 1712, welcher eigentlich Misbrauch von bunten<lb/>
Farben gemacht, ausgenommen da, wo er die Manier<lb/>
niederla&#x0364;ndi&#x017F;cher Maler nachgeahmt und vermittel&#x017F;t des<lb/>
Tons Ueberein&#x017F;timmung erzielt hat.</p><lb/>
          <p>Friedrich Oe&#x017F;er, wenige Jahre &#x017F;pa&#x0364;ter geboren als<lb/>
Dietrich, war allerdings ein Ku&#x0364;n&#x017F;tler von großen<lb/>
Talenten und man kann ihm eine Neigung zum Ueber-<lb/>
ein&#x017F;timmenden nicht abla&#x0364;ugnen; doch hat er &#x017F;olches<lb/>
nicht durch kun&#x017F;tma&#x0364;ßige Vertheilung der Farben, &#x017F;on-<lb/>
dern durch Da&#x0364;mpfung ihres natu&#x0364;rlichen Glanzes zu<lb/>
erreichen ge&#x017F;ucht, &#x017F;o daß die Harmonie &#x017F;einer Bilder<lb/>
eigentlich aus dem &#x017F;chwachen Colorit der&#x017F;elben ent-<lb/>
&#x017F;pringt.</p><lb/>
          <p>Bald nach Oe&#x017F;er trat &#x017F;odann Mengs auf und<lb/>
erwarb &#x017F;ich un&#x017F;terblichen Ruhm, indem durch &#x017F;ein<lb/>
Bemu&#x0364;hen und Bey&#x017F;piel die Malerey u&#x0364;berhaupt zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0407] In Deutſchland folgten die Bildnißmaler theils der Manier des Rigaud und Largilliere, theils ar- beiteten ſie, wie Kupezky und andre, mit dunklerer Beleuchtung und Farbe, und haben uͤberhaupt wenig Anmuth. Unter den Geſchichtsmalern waren Daniel Gran und Holzer die vorzuͤglichſten, von deren groͤßern wohlerhaltenen Werken Schreiber dieſer Nachrichten keine anſchauliche Kenntniß hat; allein er vermuthet ſie werden, was die Harmonie der Farben betrifft, ihren uͤbrigen Zeitgenoſſen wenig uͤberlegen ſeyn, zu- mal Gran, welcher unter Carl Maratti und Solimena ſtudirt hatte. Auf dieſe folgte nun C. W. E. Dietrich, geboren 1712, welcher eigentlich Misbrauch von bunten Farben gemacht, ausgenommen da, wo er die Manier niederlaͤndiſcher Maler nachgeahmt und vermittelſt des Tons Uebereinſtimmung erzielt hat. Friedrich Oeſer, wenige Jahre ſpaͤter geboren als Dietrich, war allerdings ein Kuͤnſtler von großen Talenten und man kann ihm eine Neigung zum Ueber- einſtimmenden nicht ablaͤugnen; doch hat er ſolches nicht durch kunſtmaͤßige Vertheilung der Farben, ſon- dern durch Daͤmpfung ihres natuͤrlichen Glanzes zu erreichen geſucht, ſo daß die Harmonie ſeiner Bilder eigentlich aus dem ſchwachen Colorit derſelben ent- ſpringt. Bald nach Oeſer trat ſodann Mengs auf und erwarb ſich unſterblichen Ruhm, indem durch ſein Bemuͤhen und Beyſpiel die Malerey uͤberhaupt zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/407
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/407>, abgerufen am 04.05.2024.