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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Farbenanwendung oder Austheilung als vielmehr in
der Einförmigkeit und zuweilen in der Anwendung
des Tons begründet zu seyn, und uns gibt Sacchi zu
keinen weitern Bemerkungen Anlaß.

Sacchi's berühmter Schüler Carlo Maratti hat in
seinen Bildern zuweilen kräftige gesättigte Farben ge-
braucht, ist aber alsdann gewöhnlich unruhig geworden.
In andern, besonders von seiner spätern Zeit, brachte
er hellere Mischungen an, konnte aber dabey das
Matte nicht vermeiden.

Der Reapolitaner Luca Giordano ist in seinen
bessern Werken ein guter Colorist. Seine Fleischtinten
sind heiter und blühend; wo indessen bey ihm das
Ganze in harmonischer Uebereinstimmung ist, rührt
solche vom Ton, nicht aber von künstlicher Vertheilung
der Farben her.

Zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hat
auch selbst in Italien ein verderbter Geschmack sich
über die Kunst verbreitet. Piazzetta, Corrado und
Solimena waren Männer von guten Talenten, aber
sie wendeten sie nur an, um von der gaffenden Menge
Lob einzuärnten, keineswegs aber zum Vergnügen
vernünftiger gebildeter Menschen. Ihre Werke sind
reich, mit kühnem Pinsel behandelt, aber voll wilden
Getümmels. Solimena als der berühmteste ist der am
wenigsten erfreuliche; oft grau und kalt, oft von
grellen unangenehmen Gegensätzen heller und dunkler

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Farbenanwendung oder Austheilung als vielmehr in
der Einfoͤrmigkeit und zuweilen in der Anwendung
des Tons begruͤndet zu ſeyn, und uns gibt Sacchi zu
keinen weitern Bemerkungen Anlaß.

Sacchi’s beruͤhmter Schuͤler Carlo Maratti hat in
ſeinen Bildern zuweilen kraͤftige geſaͤttigte Farben ge-
braucht, iſt aber alsdann gewoͤhnlich unruhig geworden.
In andern, beſonders von ſeiner ſpaͤtern Zeit, brachte
er hellere Miſchungen an, konnte aber dabey das
Matte nicht vermeiden.

Der Reapolitaner Luca Giordano iſt in ſeinen
beſſern Werken ein guter Coloriſt. Seine Fleiſchtinten
ſind heiter und bluͤhend; wo indeſſen bey ihm das
Ganze in harmoniſcher Uebereinſtimmung iſt, ruͤhrt
ſolche vom Ton, nicht aber von kuͤnſtlicher Vertheilung
der Farben her.

Zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hat
auch ſelbſt in Italien ein verderbter Geſchmack ſich
uͤber die Kunſt verbreitet. Piazzetta, Corrado und
Solimena waren Maͤnner von guten Talenten, aber
ſie wendeten ſie nur an, um von der gaffenden Menge
Lob einzuaͤrnten, keineswegs aber zum Vergnuͤgen
vernuͤnftiger gebildeter Menſchen. Ihre Werke ſind
reich, mit kuͤhnem Pinſel behandelt, aber voll wilden
Getuͤmmels. Solimena als der beruͤhmteſte iſt der am
wenigſten erfreuliche; oft grau und kalt, oft von
grellen unangenehmen Gegenſaͤtzen heller und dunkler

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[371/0405] Farbenanwendung oder Austheilung als vielmehr in der Einfoͤrmigkeit und zuweilen in der Anwendung des Tons begruͤndet zu ſeyn, und uns gibt Sacchi zu keinen weitern Bemerkungen Anlaß. Sacchi’s beruͤhmter Schuͤler Carlo Maratti hat in ſeinen Bildern zuweilen kraͤftige geſaͤttigte Farben ge- braucht, iſt aber alsdann gewoͤhnlich unruhig geworden. In andern, beſonders von ſeiner ſpaͤtern Zeit, brachte er hellere Miſchungen an, konnte aber dabey das Matte nicht vermeiden. Der Reapolitaner Luca Giordano iſt in ſeinen beſſern Werken ein guter Coloriſt. Seine Fleiſchtinten ſind heiter und bluͤhend; wo indeſſen bey ihm das Ganze in harmoniſcher Uebereinſtimmung iſt, ruͤhrt ſolche vom Ton, nicht aber von kuͤnſtlicher Vertheilung der Farben her. Zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hat auch ſelbſt in Italien ein verderbter Geſchmack ſich uͤber die Kunſt verbreitet. Piazzetta, Corrado und Solimena waren Maͤnner von guten Talenten, aber ſie wendeten ſie nur an, um von der gaffenden Menge Lob einzuaͤrnten, keineswegs aber zum Vergnuͤgen vernuͤnftiger gebildeter Menſchen. Ihre Werke ſind reich, mit kuͤhnem Pinſel behandelt, aber voll wilden Getuͤmmels. Solimena als der beruͤhmteſte iſt der am wenigſten erfreuliche; oft grau und kalt, oft von grellen unangenehmen Gegenſaͤtzen heller und dunkler 24 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/405>, abgerufen am 22.11.2024.