einem Körper als in einem andern, so werden diejeni- gen welche in größerer Zahl entstehen, weil sie gedräng- ter und so zu sagen lebhafter sind, von einer verschie- denen Art seyn als die andern. Die Klänge also sind auch der Art nach verschieden, und das ist, was man die Töne nennt. Die schnellsten Vibrationen bringen die hohen Töne hervor und die langsamsten die tiefen. Diese Grundsätze, welche von allen Philosophen ange- nommen werden, lassen sich leicht auf das Licht und die Farben anwenden. Alle die kleinsten Theile eines leuchtenden Körpers sind in einer sehr schnellen Be- wegung, welche von Augenblick zu Augenblick durch sehr lebhafte Erschütterungen die ganze äußerst zarte, bis zum Auge reichende Materie, zusammendrückt und in ihr, nach Pater Malebranche, Schwingungen des Drucks hervorbringt. Sind diese Schwingungen grö- ßer, so erscheint der Körper leuchtender oder mehr er- hellt; sind sie schneller oder langsamer, so ist er von dieser oder jener Farbe; und daher kommt, daß der Grad des Lichtes gewöhnlich nicht die Art der Farben verändert, und daß sie bey stärkerer oder schwächerer Beleuchtung immer als dieselben erscheinen, obgleich mehr oder weniger lebhaft. Können nun diese Schwin- gungen, welche zu gleicher Zeit hervorgebracht werden, aber an Zahl verschieden sind, nach aller möglichen Art von Zahlenverhältnissen verschieden seyn; so kann man deutlich erkennen, daß aus dieser unendlichen Verschie- denheit der Verhältnisse auch die Verschiedenheit der Farben entstehen muß, und daß die verschiedensten Far- ben auch aus den verschiedensten und am weitsten von
einem Koͤrper als in einem andern, ſo werden diejeni- gen welche in groͤßerer Zahl entſtehen, weil ſie gedraͤng- ter und ſo zu ſagen lebhafter ſind, von einer verſchie- denen Art ſeyn als die andern. Die Klaͤnge alſo ſind auch der Art nach verſchieden, und das iſt, was man die Toͤne nennt. Die ſchnellſten Vibrationen bringen die hohen Toͤne hervor und die langſamſten die tiefen. Dieſe Grundſaͤtze, welche von allen Philoſophen ange- nommen werden, laſſen ſich leicht auf das Licht und die Farben anwenden. Alle die kleinſten Theile eines leuchtenden Koͤrpers ſind in einer ſehr ſchnellen Be- wegung, welche von Augenblick zu Augenblick durch ſehr lebhafte Erſchuͤtterungen die ganze aͤußerſt zarte, bis zum Auge reichende Materie, zuſammendruͤckt und in ihr, nach Pater Malebranche, Schwingungen des Drucks hervorbringt. Sind dieſe Schwingungen groͤ- ßer, ſo erſcheint der Koͤrper leuchtender oder mehr er- hellt; ſind ſie ſchneller oder langſamer, ſo iſt er von dieſer oder jener Farbe; und daher kommt, daß der Grad des Lichtes gewoͤhnlich nicht die Art der Farben veraͤndert, und daß ſie bey ſtaͤrkerer oder ſchwaͤcherer Beleuchtung immer als dieſelben erſcheinen, obgleich mehr oder weniger lebhaft. Koͤnnen nun dieſe Schwin- gungen, welche zu gleicher Zeit hervorgebracht werden, aber an Zahl verſchieden ſind, nach aller moͤglichen Art von Zahlenverhaͤltniſſen verſchieden ſeyn; ſo kann man deutlich erkennen, daß aus dieſer unendlichen Verſchie- denheit der Verhaͤltniſſe auch die Verſchiedenheit der Farben entſtehen muß, und daß die verſchiedenſten Far- ben auch aus den verſchiedenſten und am weitſten von
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einem Koͤrper als in einem andern, ſo werden diejeni-
gen welche in groͤßerer Zahl entſtehen, weil ſie gedraͤng-
ter und ſo zu ſagen lebhafter ſind, von einer verſchie-
denen Art ſeyn als die andern. Die Klaͤnge alſo ſind
auch der Art nach verſchieden, und das iſt, was man
die Toͤne nennt. Die ſchnellſten Vibrationen bringen
die hohen Toͤne hervor und die langſamſten die tiefen.
Dieſe Grundſaͤtze, welche von allen Philoſophen ange-
nommen werden, laſſen ſich leicht auf das Licht und
die Farben anwenden. Alle die kleinſten Theile eines
leuchtenden Koͤrpers ſind in einer ſehr ſchnellen Be-
wegung, welche von Augenblick zu Augenblick durch
ſehr lebhafte Erſchuͤtterungen die ganze aͤußerſt zarte,
bis zum Auge reichende Materie, zuſammendruͤckt und
in ihr, nach Pater Malebranche, Schwingungen des
Drucks hervorbringt. Sind dieſe Schwingungen groͤ-
ßer, ſo erſcheint der Koͤrper leuchtender oder mehr er-
hellt; ſind ſie ſchneller oder langſamer, ſo iſt er von
dieſer oder jener Farbe; und daher kommt, daß der
Grad des Lichtes gewoͤhnlich nicht die Art der Farben
veraͤndert, und daß ſie bey ſtaͤrkerer oder ſchwaͤcherer
Beleuchtung immer als dieſelben erſcheinen, obgleich
mehr oder weniger lebhaft. Koͤnnen nun dieſe Schwin-
gungen, welche zu gleicher Zeit hervorgebracht werden,
aber an Zahl verſchieden ſind, nach aller moͤglichen Art
von Zahlenverhaͤltniſſen verſchieden ſeyn; ſo kann man
deutlich erkennen, daß aus dieſer unendlichen Verſchie-
denheit der Verhaͤltniſſe auch die Verſchiedenheit der
Farben entſtehen muß, und daß die verſchiedenſten Far-
ben auch aus den verſchiedenſten und am weitſten von
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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