völlige Verschwinden der ersten Tugend, Verderbniß und Untergang möglich wird.
Nachstehendes kann zum Theil als Wiederholung, zum Theil als weitre Aus- und Fortbildung des oben Gesagten angesehen werden; sodann aber mag man entschuldigen, daß hier abermals gelegentlich erregte Gedanken mit aufgeführt sind.
Die Schriften Bacons zeugen von großer Ruhe und Besonnenheit. Er fühlte sehr tief den Kampf, den er mit der Natur und mit der Ueberlieferung zu beste- hen hat. Er wird gewahr, daß er die Kräfte und Mit- tel hiezu bey sich selbst suchen muß. Hier findet er die Mathematik als ein sicheres, aus seinem Innern her- vorspringendes Werkzeug. Er operirt mit demselben ge- gen die Natur und gegen seine Vorgänger, sein Unter- nehmen glückt ihm und er überzeugt sich, daß Mathe- matik den Grund zu allem Wissenschaftlichen lege.
Hat ihm jedoch dieses Organ bey allem Meßbaren gehörige Dienste geleistet, so findet er bald bey seinem zarten Gefühle, daß es Regionen gebe, wo es nicht hinreicht. Er spricht sehr deutlich aus, daß sie in sol- chen Fällen als eine Art von Symbolik zu brauchen sey; aber in der Ausführung selbst vermischt er den reellen Dienst, den sie ihm leistet, mit dem symbolischen; wenigstens knüpft er beyde Arten so genau zusammen,
voͤllige Verſchwinden der erſten Tugend, Verderbniß und Untergang moͤglich wird.
Nachſtehendes kann zum Theil als Wiederholung, zum Theil als weitre Aus- und Fortbildung des oben Geſagten angeſehen werden; ſodann aber mag man entſchuldigen, daß hier abermals gelegentlich erregte Gedanken mit aufgefuͤhrt ſind.
Die Schriften Bacons zeugen von großer Ruhe und Beſonnenheit. Er fuͤhlte ſehr tief den Kampf, den er mit der Natur und mit der Ueberlieferung zu beſte- hen hat. Er wird gewahr, daß er die Kraͤfte und Mit- tel hiezu bey ſich ſelbſt ſuchen muß. Hier findet er die Mathematik als ein ſicheres, aus ſeinem Innern her- vorſpringendes Werkzeug. Er operirt mit demſelben ge- gen die Natur und gegen ſeine Vorgaͤnger, ſein Unter- nehmen gluͤckt ihm und er uͤberzeugt ſich, daß Mathe- matik den Grund zu allem Wiſſenſchaftlichen lege.
Hat ihm jedoch dieſes Organ bey allem Meßbaren gehoͤrige Dienſte geleiſtet, ſo findet er bald bey ſeinem zarten Gefuͤhle, daß es Regionen gebe, wo es nicht hinreicht. Er ſpricht ſehr deutlich aus, daß ſie in ſol- chen Faͤllen als eine Art von Symbolik zu brauchen ſey; aber in der Ausfuͤhrung ſelbſt vermiſcht er den reellen Dienſt, den ſie ihm leiſtet, mit dem ſymboliſchen; wenigſtens knuͤpft er beyde Arten ſo genau zuſammen,
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voͤllige Verſchwinden der erſten Tugend, Verderbniß und
Untergang moͤglich wird.
Nachſtehendes kann zum Theil als Wiederholung,
zum Theil als weitre Aus- und Fortbildung des oben
Geſagten angeſehen werden; ſodann aber mag man
entſchuldigen, daß hier abermals gelegentlich erregte
Gedanken mit aufgefuͤhrt ſind.
Die Schriften Bacons zeugen von großer Ruhe
und Beſonnenheit. Er fuͤhlte ſehr tief den Kampf, den
er mit der Natur und mit der Ueberlieferung zu beſte-
hen hat. Er wird gewahr, daß er die Kraͤfte und Mit-
tel hiezu bey ſich ſelbſt ſuchen muß. Hier findet er die
Mathematik als ein ſicheres, aus ſeinem Innern her-
vorſpringendes Werkzeug. Er operirt mit demſelben ge-
gen die Natur und gegen ſeine Vorgaͤnger, ſein Unter-
nehmen gluͤckt ihm und er uͤberzeugt ſich, daß Mathe-
matik den Grund zu allem Wiſſenſchaftlichen lege.
Hat ihm jedoch dieſes Organ bey allem Meßbaren
gehoͤrige Dienſte geleiſtet, ſo findet er bald bey ſeinem
zarten Gefuͤhle, daß es Regionen gebe, wo es nicht
hinreicht. Er ſpricht ſehr deutlich aus, daß ſie in ſol-
chen Faͤllen als eine Art von Symbolik zu brauchen
ſey; aber in der Ausfuͤhrung ſelbſt vermiſcht er den
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/191>, abgerufen am 22.11.2024.
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