bieten, die beste Meynung von der Vollkommenheit des Colorits in den Bildern des Apelles hegen.
Durch ihn soll die Zahl der Pigmente noch um eines, nämlich um das aus gebranntem Elfenbein ver- fertigte Schwarz, vermehrt worden seyn. Woraus zu vermuthen ist, daß er damit eine vorher noch nicht erreichte Stärke und Wirkung beabsichtigt habe.
Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der malerisch-technischen Mittel war die von ihm einge- führte Lafirung, wodurch er den Bildern jenen künstli- chen bezaubernden Schein, den Farben die gefällige Milde, und die höchst zarte, auf keinem andern Wege in solcher Vollkommenheit erreichbare Abstufung ertheilte. Die hieher gehörige Stelle des Plinius ist ungemein deutlich, ja sie scheint sogar keine andere Auslegung zu leiden.
"Wenn seine Gemälde vollendet waren, überzog er sie mit einer sehr feinen Schwärze, atramentum, die durch ihren Glanz die Schönheit der Farben noch erhob, das Gemälde vor Staub und Schmutz schützte, und erst bemerkt werden konnte, wenn man es näher betrachtete. Er verfuhr aber darin sehr behutsam. Die Lebhaftigkeit der Farben sollte das Auge nicht be- leidigen, und es sollte sie in der Entfernung wie durch einen Spiegelstein erblicken. Eben diese Schwärze sollte auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernst geben."
bieten, die beſte Meynung von der Vollkommenheit des Colorits in den Bildern des Apelles hegen.
Durch ihn ſoll die Zahl der Pigmente noch um eines, naͤmlich um das aus gebranntem Elfenbein ver- fertigte Schwarz, vermehrt worden ſeyn. Woraus zu vermuthen iſt, daß er damit eine vorher noch nicht erreichte Staͤrke und Wirkung beabſichtigt habe.
Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der maleriſch-techniſchen Mittel war die von ihm einge- fuͤhrte Lafirung, wodurch er den Bildern jenen kuͤnſtli- chen bezaubernden Schein, den Farben die gefaͤllige Milde, und die hoͤchſt zarte, auf keinem andern Wege in ſolcher Vollkommenheit erreichbare Abſtufung ertheilte. Die hieher gehoͤrige Stelle des Plinius iſt ungemein deutlich, ja ſie ſcheint ſogar keine andere Auslegung zu leiden.
„Wenn ſeine Gemaͤlde vollendet waren, uͤberzog er ſie mit einer ſehr feinen Schwaͤrze, atramentum, die durch ihren Glanz die Schoͤnheit der Farben noch erhob, das Gemaͤlde vor Staub und Schmutz ſchuͤtzte, und erſt bemerkt werden konnte, wenn man es naͤher betrachtete. Er verfuhr aber darin ſehr behutſam. Die Lebhaftigkeit der Farben ſollte das Auge nicht be- leidigen, und es ſollte ſie in der Entfernung wie durch einen Spiegelſtein erblicken. Eben dieſe Schwaͤrze ſollte auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernſt geben.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0121"n="87"/>
bieten, die beſte Meynung von der Vollkommenheit<lb/>
des Colorits in den Bildern des Apelles hegen.</p><lb/><p>Durch ihn ſoll die Zahl der Pigmente noch um<lb/>
eines, naͤmlich um das aus gebranntem Elfenbein ver-<lb/>
fertigte Schwarz, vermehrt worden ſeyn. Woraus zu<lb/>
vermuthen iſt, daß er damit eine vorher noch nicht<lb/>
erreichte Staͤrke und Wirkung beabſichtigt habe.</p><lb/><p>Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der<lb/>
maleriſch-techniſchen Mittel war die von ihm einge-<lb/>
fuͤhrte Lafirung, wodurch er den Bildern jenen kuͤnſtli-<lb/>
chen bezaubernden Schein, den Farben die gefaͤllige<lb/>
Milde, und die hoͤchſt zarte, auf keinem andern Wege<lb/>
in ſolcher Vollkommenheit erreichbare Abſtufung ertheilte.<lb/>
Die hieher gehoͤrige Stelle des Plinius iſt ungemein<lb/>
deutlich, ja ſie ſcheint ſogar keine andere Auslegung<lb/>
zu leiden.</p><lb/><p>„Wenn ſeine Gemaͤlde vollendet waren, uͤberzog<lb/>
er ſie mit einer ſehr feinen Schwaͤrze, <hirendition="#aq">atramentum,</hi><lb/>
die durch ihren Glanz die Schoͤnheit der Farben noch<lb/>
erhob, das Gemaͤlde vor Staub und Schmutz ſchuͤtzte,<lb/>
und erſt bemerkt werden konnte, wenn man es naͤher<lb/>
betrachtete. Er verfuhr aber darin ſehr behutſam.<lb/>
Die Lebhaftigkeit der Farben ſollte das Auge nicht be-<lb/>
leidigen, und es ſollte ſie in der Entfernung wie durch<lb/>
einen Spiegelſtein erblicken. Eben dieſe Schwaͤrze ſollte<lb/>
auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernſt<lb/>
geben.“</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[87/0121]
bieten, die beſte Meynung von der Vollkommenheit
des Colorits in den Bildern des Apelles hegen.
Durch ihn ſoll die Zahl der Pigmente noch um
eines, naͤmlich um das aus gebranntem Elfenbein ver-
fertigte Schwarz, vermehrt worden ſeyn. Woraus zu
vermuthen iſt, daß er damit eine vorher noch nicht
erreichte Staͤrke und Wirkung beabſichtigt habe.
Allein eine noch weit wichtigere Erweiterung der
maleriſch-techniſchen Mittel war die von ihm einge-
fuͤhrte Lafirung, wodurch er den Bildern jenen kuͤnſtli-
chen bezaubernden Schein, den Farben die gefaͤllige
Milde, und die hoͤchſt zarte, auf keinem andern Wege
in ſolcher Vollkommenheit erreichbare Abſtufung ertheilte.
Die hieher gehoͤrige Stelle des Plinius iſt ungemein
deutlich, ja ſie ſcheint ſogar keine andere Auslegung
zu leiden.
„Wenn ſeine Gemaͤlde vollendet waren, uͤberzog
er ſie mit einer ſehr feinen Schwaͤrze, atramentum,
die durch ihren Glanz die Schoͤnheit der Farben noch
erhob, das Gemaͤlde vor Staub und Schmutz ſchuͤtzte,
und erſt bemerkt werden konnte, wenn man es naͤher
betrachtete. Er verfuhr aber darin ſehr behutſam.
Die Lebhaftigkeit der Farben ſollte das Auge nicht be-
leidigen, und es ſollte ſie in der Entfernung wie durch
einen Spiegelſtein erblicken. Eben dieſe Schwaͤrze ſollte
auch den zu hellen Farben unvermerkt mehr Ernſt
geben.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/121>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.