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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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tet werden, weil wir bloß die Absicht angekündigt,
den Fortschritten in der Malerey, hinsichtlich auf An-
wendung der Farben, und was überhaupt mit dem
Colorit verwandt ist, nachzuforschen. Allein eben aus
dem Umstand, daß einige Künstler rühmlich bemerkt
sind, deren Kunst ganz anderer Vorzüge als des Colo-
rits wegen gelobt worden, und der gedachte so hoch
gerühmte Aristides sogar von dieser Seite gelindem
Tadel nicht entgangen, eben daraus ergiebt sich klar,
daß die Kunst der Farbenbehandlung und der Nachah-
mung natürlicher Gegenstände durch dieselben, um ge-
dachte Zeit schon sehr weit getrieben gewesen, so daß
an den Künstler von dieser Seite damals schon sehr
große Anforderungen gemacht werden konnten.

Die zufällige Erfindung des gebrannten Bleywei-
ßes, oder dessen, was wir jetzt Neapel-Gelb nennen,
und die Einführung seines Gebrauchs in die Malerey,
ist ein Umstand welchen wir nicht übergehen dürfen.
Nicias soll der erste gewesen seyn, der diese Farbe an-
gewendet. Dieser Künstler aber lebte zur Zeit des
Praxiteles. Weibliche Figuren sollen ihm vorzüglich
gelungen seyn. Die Richtigkeit der Beleuchtung und
das Vortretende in seinen Bildern wird gerühmt; wor-
aus geschlossen werden kann, daß dieser Meister kräftig
und mit Effekt gemalt habe.

In Bezug hierauf kann man ebenfalls die Bemer-
kung des Plinius anführen, der, wo er von der

tet werden, weil wir bloß die Abſicht angekuͤndigt,
den Fortſchritten in der Malerey, hinſichtlich auf An-
wendung der Farben, und was uͤberhaupt mit dem
Colorit verwandt iſt, nachzuforſchen. Allein eben aus
dem Umſtand, daß einige Kuͤnſtler ruͤhmlich bemerkt
ſind, deren Kunſt ganz anderer Vorzuͤge als des Colo-
rits wegen gelobt worden, und der gedachte ſo hoch
geruͤhmte Ariſtides ſogar von dieſer Seite gelindem
Tadel nicht entgangen, eben daraus ergiebt ſich klar,
daß die Kunſt der Farbenbehandlung und der Nachah-
mung natuͤrlicher Gegenſtaͤnde durch dieſelben, um ge-
dachte Zeit ſchon ſehr weit getrieben geweſen, ſo daß
an den Kuͤnſtler von dieſer Seite damals ſchon ſehr
große Anforderungen gemacht werden konnten.

Die zufaͤllige Erfindung des gebrannten Bleywei-
ßes, oder deſſen, was wir jetzt Neapel-Gelb nennen,
und die Einfuͤhrung ſeines Gebrauchs in die Malerey,
iſt ein Umſtand welchen wir nicht uͤbergehen duͤrfen.
Nicias ſoll der erſte geweſen ſeyn, der dieſe Farbe an-
gewendet. Dieſer Kuͤnſtler aber lebte zur Zeit des
Praxiteles. Weibliche Figuren ſollen ihm vorzuͤglich
gelungen ſeyn. Die Richtigkeit der Beleuchtung und
das Vortretende in ſeinen Bildern wird geruͤhmt; wor-
aus geſchloſſen werden kann, daß dieſer Meiſter kraͤftig
und mit Effekt gemalt habe.

In Bezug hierauf kann man ebenfalls die Bemer-
kung des Plinius anfuͤhren, der, wo er von der

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[85/0119] tet werden, weil wir bloß die Abſicht angekuͤndigt, den Fortſchritten in der Malerey, hinſichtlich auf An- wendung der Farben, und was uͤberhaupt mit dem Colorit verwandt iſt, nachzuforſchen. Allein eben aus dem Umſtand, daß einige Kuͤnſtler ruͤhmlich bemerkt ſind, deren Kunſt ganz anderer Vorzuͤge als des Colo- rits wegen gelobt worden, und der gedachte ſo hoch geruͤhmte Ariſtides ſogar von dieſer Seite gelindem Tadel nicht entgangen, eben daraus ergiebt ſich klar, daß die Kunſt der Farbenbehandlung und der Nachah- mung natuͤrlicher Gegenſtaͤnde durch dieſelben, um ge- dachte Zeit ſchon ſehr weit getrieben geweſen, ſo daß an den Kuͤnſtler von dieſer Seite damals ſchon ſehr große Anforderungen gemacht werden konnten. Die zufaͤllige Erfindung des gebrannten Bleywei- ßes, oder deſſen, was wir jetzt Neapel-Gelb nennen, und die Einfuͤhrung ſeines Gebrauchs in die Malerey, iſt ein Umſtand welchen wir nicht uͤbergehen duͤrfen. Nicias ſoll der erſte geweſen ſeyn, der dieſe Farbe an- gewendet. Dieſer Kuͤnſtler aber lebte zur Zeit des Praxiteles. Weibliche Figuren ſollen ihm vorzuͤglich gelungen ſeyn. Die Richtigkeit der Beleuchtung und das Vortretende in ſeinen Bildern wird geruͤhmt; wor- aus geſchloſſen werden kann, daß dieſer Meiſter kraͤftig und mit Effekt gemalt habe. In Bezug hierauf kann man ebenfalls die Bemer- kung des Plinius anfuͤhren, der, wo er von der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/119>, abgerufen am 20.04.2024.