Der Schein des Kerzenlichts bey der Dämmrung wirkt lebhaft als ein gelbes Licht, welches die blauen Schatten am besten beweisen, die bey dieser Gelegen- heit im Auge hervorgerufen werden.
86.
Die Retina kann durch ein starkes Licht dergestalt gereizt werden, daß sie schwächere Lichter nicht erken- nen kann (11). Erkennt sie solche, so erscheinen sie farbig; daher sieht ein Kerzenlicht bey Tage röthlich aus, es verhält sich wie ein abklingendes; ja ein Kerzenlicht, das man bey Nacht länger und schärfer ansieht, erscheint immer röther.
87.
Es giebt schwach wirkende Lichter, welche demun- geachtet eine weiße, höchstens hellgelbliche Erscheinung auf der Retina machen, wie der Mond in seiner vollen Klarheit. Das faule Holz hat sogar eine Art von bläulichem Schein. Dieses alles wird künftig wieder zur Sprache kommen.
88.
Wenn man nahe an eine weiße oder grauliche Wand Nachts ein Licht stellt, so wird sie von diesem Mittelpunct aus auf eine ziemliche Weite erleuchtet seyn. Betrachtet man den daher entstehenden Kreis aus einiger Ferne, so erscheint uns der Rand der erleuchteten Fläche mit einem gelben, nach außen roth-
85.
Der Schein des Kerzenlichts bey der Daͤmmrung wirkt lebhaft als ein gelbes Licht, welches die blauen Schatten am beſten beweiſen, die bey dieſer Gelegen- heit im Auge hervorgerufen werden.
86.
Die Retina kann durch ein ſtarkes Licht dergeſtalt gereizt werden, daß ſie ſchwaͤchere Lichter nicht erken- nen kann (11). Erkennt ſie ſolche, ſo erſcheinen ſie farbig; daher ſieht ein Kerzenlicht bey Tage roͤthlich aus, es verhaͤlt ſich wie ein abklingendes; ja ein Kerzenlicht, das man bey Nacht laͤnger und ſchaͤrfer anſieht, erſcheint immer roͤther.
87.
Es giebt ſchwach wirkende Lichter, welche demun- geachtet eine weiße, hoͤchſtens hellgelbliche Erſcheinung auf der Retina machen, wie der Mond in ſeiner vollen Klarheit. Das faule Holz hat ſogar eine Art von blaͤulichem Schein. Dieſes alles wird kuͤnftig wieder zur Sprache kommen.
88.
Wenn man nahe an eine weiße oder grauliche Wand Nachts ein Licht ſtellt, ſo wird ſie von dieſem Mittelpunct aus auf eine ziemliche Weite erleuchtet ſeyn. Betrachtet man den daher entſtehenden Kreis aus einiger Ferne, ſo erſcheint uns der Rand der erleuchteten Flaͤche mit einem gelben, nach außen roth-
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85.
Der Schein des Kerzenlichts bey der Daͤmmrung
wirkt lebhaft als ein gelbes Licht, welches die blauen
Schatten am beſten beweiſen, die bey dieſer Gelegen-
heit im Auge hervorgerufen werden.
86.
Die Retina kann durch ein ſtarkes Licht dergeſtalt
gereizt werden, daß ſie ſchwaͤchere Lichter nicht erken-
nen kann (11). Erkennt ſie ſolche, ſo erſcheinen ſie
farbig; daher ſieht ein Kerzenlicht bey Tage roͤthlich
aus, es verhaͤlt ſich wie ein abklingendes; ja ein
Kerzenlicht, das man bey Nacht laͤnger und ſchaͤrfer
anſieht, erſcheint immer roͤther.
87.
Es giebt ſchwach wirkende Lichter, welche demun-
geachtet eine weiße, hoͤchſtens hellgelbliche Erſcheinung
auf der Retina machen, wie der Mond in ſeiner vollen
Klarheit. Das faule Holz hat ſogar eine Art von
blaͤulichem Schein. Dieſes alles wird kuͤnftig wieder
zur Sprache kommen.
88.
Wenn man nahe an eine weiße oder grauliche
Wand Nachts ein Licht ſtellt, ſo wird ſie von dieſem
Mittelpunct aus auf eine ziemliche Weite erleuchtet
ſeyn. Betrachtet man den daher entſtehenden Kreis
aus einiger Ferne, ſo erſcheint uns der Rand der
erleuchteten Flaͤche mit einem gelben, nach außen roth-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/91>, abgerufen am 04.12.2024.
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