Dort wie hier bezeichnet er jede der beyden Rander- scheinungen mit fünf Linien, wodurch er anzudeuten scheinen möchte, daß an beyden Enden jedesmal das ganze Farbensystem hervortrete. Allein genau besehen, läßt er die uns wohlbekannten Randerscheinungen end- lich einmal gelten; doch anstatt durch ihr einfaches Zu- sammenneigen das Grün hervorzubringen, läßt er, wun- derlich genug, die Farben hintereinander aufmarschiren, sich einander decken, sich mischen, und will nun durch diese Wort- und Zeichenmengerey das Weiß hervorge- bracht haben, das freylich in der Erscheinung da ist, aber an und für sich, ohne erst durch jene farbigen Lichter zu entspringen, die er hypothetisch über einan- der schiebt.
599.
So sehr er sich nun auch bemüht, mit griechischen und lateinischen Buchstaben seine so falsche als unge- reimte und abstruse Vorstellungsart faßlich zu machen, so gelingt es ihm doch nicht, und seine treuen gläubi- gen Schüler fanden sich genöthigt, diese linearische Darstellung in eine tabellarische zu verwandeln.
600.
Green in Halle hat, indem er sich unsern unschul- digen optischen Veyträgen mit pfäffischem Stolz und Heftigkeit widersetzte, eine solche tabellarische Darstel- lung mit Buchstaben ausgearbeitet, was die Verrü- ckung des hellen Bildes betrifft. Der Recensent un-
Dort wie hier bezeichnet er jede der beyden Rander- ſcheinungen mit fuͤnf Linien, wodurch er anzudeuten ſcheinen moͤchte, daß an beyden Enden jedesmal das ganze Farbenſyſtem hervortrete. Allein genau beſehen, laͤßt er die uns wohlbekannten Randerſcheinungen end- lich einmal gelten; doch anſtatt durch ihr einfaches Zu- ſammenneigen das Gruͤn hervorzubringen, laͤßt er, wun- derlich genug, die Farben hintereinander aufmarſchiren, ſich einander decken, ſich miſchen, und will nun durch dieſe Wort- und Zeichenmengerey das Weiß hervorge- bracht haben, das freylich in der Erſcheinung da iſt, aber an und fuͤr ſich, ohne erſt durch jene farbigen Lichter zu entſpringen, die er hypothetiſch uͤber einan- der ſchiebt.
599.
So ſehr er ſich nun auch bemuͤht, mit griechiſchen und lateiniſchen Buchſtaben ſeine ſo falſche als unge- reimte und abſtruſe Vorſtellungsart faßlich zu machen, ſo gelingt es ihm doch nicht, und ſeine treuen glaͤubi- gen Schuͤler fanden ſich genoͤthigt, dieſe lineariſche Darſtellung in eine tabellariſche zu verwandeln.
600.
Green in Halle hat, indem er ſich unſern unſchul- digen optiſchen Veytraͤgen mit pfaͤffiſchem Stolz und Heftigkeit widerſetzte, eine ſolche tabellariſche Darſtel- lung mit Buchſtaben ausgearbeitet, was die Verruͤ- ckung des hellen Bildes betrifft. Der Recenſent un-
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Dort wie hier bezeichnet er jede der beyden Rander-
ſcheinungen mit fuͤnf Linien, wodurch er anzudeuten
ſcheinen moͤchte, daß an beyden Enden jedesmal das
ganze Farbenſyſtem hervortrete. Allein genau beſehen,
laͤßt er die uns wohlbekannten Randerſcheinungen end-
lich einmal gelten; doch anſtatt durch ihr einfaches Zu-
ſammenneigen das Gruͤn hervorzubringen, laͤßt er, wun-
derlich genug, die Farben hintereinander aufmarſchiren,
ſich einander decken, ſich miſchen, und will nun durch
dieſe Wort- und Zeichenmengerey das Weiß hervorge-
bracht haben, das freylich in der Erſcheinung da iſt,
aber an und fuͤr ſich, ohne erſt durch jene farbigen
Lichter zu entſpringen, die er hypothetiſch uͤber einan-
der ſchiebt.
599.
So ſehr er ſich nun auch bemuͤht, mit griechiſchen
und lateiniſchen Buchſtaben ſeine ſo falſche als unge-
reimte und abſtruſe Vorſtellungsart faßlich zu machen,
ſo gelingt es ihm doch nicht, und ſeine treuen glaͤubi-
gen Schuͤler fanden ſich genoͤthigt, dieſe lineariſche
Darſtellung in eine tabellariſche zu verwandeln.
600.
Green in Halle hat, indem er ſich unſern unſchul-
digen optiſchen Veytraͤgen mit pfaͤffiſchem Stolz und
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/671>, abgerufen am 21.11.2024.
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