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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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Dort wie hier bezeichnet er jede der beyden Rander-
scheinungen mit fünf Linien, wodurch er anzudeuten
scheinen möchte, daß an beyden Enden jedesmal das
ganze Farbensystem hervortrete. Allein genau besehen,
läßt er die uns wohlbekannten Randerscheinungen end-
lich einmal gelten; doch anstatt durch ihr einfaches Zu-
sammenneigen das Grün hervorzubringen, läßt er, wun-
derlich genug, die Farben hintereinander aufmarschiren,
sich einander decken, sich mischen, und will nun durch
diese Wort- und Zeichenmengerey das Weiß hervorge-
bracht haben, das freylich in der Erscheinung da ist,
aber an und für sich, ohne erst durch jene farbigen
Lichter zu entspringen, die er hypothetisch über einan-
der schiebt.

599.

So sehr er sich nun auch bemüht, mit griechischen
und lateinischen Buchstaben seine so falsche als unge-
reimte und abstruse Vorstellungsart faßlich zu machen,
so gelingt es ihm doch nicht, und seine treuen gläubi-
gen Schüler fanden sich genöthigt, diese linearische
Darstellung in eine tabellarische zu verwandeln.

600.

Green in Halle hat, indem er sich unsern unschul-
digen optischen Veyträgen mit pfäffischem Stolz und
Heftigkeit widersetzte, eine solche tabellarische Darstel-
lung mit Buchstaben ausgearbeitet, was die Verrü-
ckung des hellen Bildes betrifft. Der Recensent un-

Dort wie hier bezeichnet er jede der beyden Rander-
ſcheinungen mit fuͤnf Linien, wodurch er anzudeuten
ſcheinen moͤchte, daß an beyden Enden jedesmal das
ganze Farbenſyſtem hervortrete. Allein genau beſehen,
laͤßt er die uns wohlbekannten Randerſcheinungen end-
lich einmal gelten; doch anſtatt durch ihr einfaches Zu-
ſammenneigen das Gruͤn hervorzubringen, laͤßt er, wun-
derlich genug, die Farben hintereinander aufmarſchiren,
ſich einander decken, ſich miſchen, und will nun durch
dieſe Wort- und Zeichenmengerey das Weiß hervorge-
bracht haben, das freylich in der Erſcheinung da iſt,
aber an und fuͤr ſich, ohne erſt durch jene farbigen
Lichter zu entſpringen, die er hypothetiſch uͤber einan-
der ſchiebt.

599.

So ſehr er ſich nun auch bemuͤht, mit griechiſchen
und lateiniſchen Buchſtaben ſeine ſo falſche als unge-
reimte und abſtruſe Vorſtellungsart faßlich zu machen,
ſo gelingt es ihm doch nicht, und ſeine treuen glaͤubi-
gen Schuͤler fanden ſich genoͤthigt, dieſe lineariſche
Darſtellung in eine tabellariſche zu verwandeln.

600.

Green in Halle hat, indem er ſich unſern unſchul-
digen optiſchen Veytraͤgen mit pfaͤffiſchem Stolz und
Heftigkeit widerſetzte, eine ſolche tabellariſche Darſtel-
lung mit Buchſtaben ausgearbeitet, was die Verruͤ-
ckung des hellen Bildes betrifft. Der Recenſent un-

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[617/0671] Dort wie hier bezeichnet er jede der beyden Rander- ſcheinungen mit fuͤnf Linien, wodurch er anzudeuten ſcheinen moͤchte, daß an beyden Enden jedesmal das ganze Farbenſyſtem hervortrete. Allein genau beſehen, laͤßt er die uns wohlbekannten Randerſcheinungen end- lich einmal gelten; doch anſtatt durch ihr einfaches Zu- ſammenneigen das Gruͤn hervorzubringen, laͤßt er, wun- derlich genug, die Farben hintereinander aufmarſchiren, ſich einander decken, ſich miſchen, und will nun durch dieſe Wort- und Zeichenmengerey das Weiß hervorge- bracht haben, das freylich in der Erſcheinung da iſt, aber an und fuͤr ſich, ohne erſt durch jene farbigen Lichter zu entſpringen, die er hypothetiſch uͤber einan- der ſchiebt. 599. So ſehr er ſich nun auch bemuͤht, mit griechiſchen und lateiniſchen Buchſtaben ſeine ſo falſche als unge- reimte und abſtruſe Vorſtellungsart faßlich zu machen, ſo gelingt es ihm doch nicht, und ſeine treuen glaͤubi- gen Schuͤler fanden ſich genoͤthigt, dieſe lineariſche Darſtellung in eine tabellariſche zu verwandeln. 600. Green in Halle hat, indem er ſich unſern unſchul- digen optiſchen Veytraͤgen mit pfaͤffiſchem Stolz und Heftigkeit widerſetzte, eine ſolche tabellariſche Darſtel- lung mit Buchſtaben ausgearbeitet, was die Verruͤ- ckung des hellen Bildes betrifft. Der Recenſent un-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/671>, abgerufen am 10.05.2024.