Pater Beccaria stellte einige Versuche an über die Wetterelectricität, wobey er den papiernen Drachen in die Höhe steigen ließ. Es zeigte sich um diese Maschine ein kleines glänzendes Wölkchen von abwechselnder Größe, ja auch um einen Theil der Schnur. Es verschwand zuwei- len, und wenn der Drache sich schneller bewegte, schien es auf dem vorigen Platze einige Augenblicke hin und wie- der zu schweben. Diese Erscheinung, welche die dama- ligen Beobachter nicht erklären konnten, war das im Au- ge zurückgebliebene, gegen den hellen Himmel in ein hel- les verwandelte Bild des dunkeln Drachen.
Bey optischen, besonders chromatischen Versuchen, wo man oft mit blendenden Lichtern, sie seyen farblos oder farbig, zu thun hat, muß man sich sehr vorsehen, daß nicht das zurückgebliebene Spectrum einer vorherge- henden Beobachtung sich mit in eine folgende Beobach- tung mische und dieselbe verwirrt und unrein mache.
31.
Diese Erscheinungen hat man sich folgendermaßen zu erklären gesucht. Der Ort der Retina, auf welchen das Bild des dunklen Kreuzes fiel, ist als ausgeruht und empfänglich anzusehen. Auf ihn wirkt die mäßig erhellte Fläche lebhafter, als auf die übrigen Theile der Netzhaut, welche durch die Fensterscheiben das Licht em- pfingen, und nachdem sie durch einen so viel stärkern Reiz in Thätigkeit gesetzt worden, die graue Fläche nur als dunkel gewahr werden.
32.
Diese Erklärungsart scheint für den gegenwärtigen Fall ziemlich hinreichend; in Betrachtung künftiger Er-
Pater Beccaria ſtellte einige Verſuche an uͤber die Wetterelectricitaͤt, wobey er den papiernen Drachen in die Hoͤhe ſteigen ließ. Es zeigte ſich um dieſe Maſchine ein kleines glaͤnzendes Woͤlkchen von abwechſelnder Groͤße, ja auch um einen Theil der Schnur. Es verſchwand zuwei- len, und wenn der Drache ſich ſchneller bewegte, ſchien es auf dem vorigen Platze einige Augenblicke hin und wie- der zu ſchweben. Dieſe Erſcheinung, welche die dama- ligen Beobachter nicht erklaͤren konnten, war das im Au- ge zuruͤckgebliebene, gegen den hellen Himmel in ein hel- les verwandelte Bild des dunkeln Drachen.
Bey optiſchen, beſonders chromatiſchen Verſuchen, wo man oft mit blendenden Lichtern, ſie ſeyen farblos oder farbig, zu thun hat, muß man ſich ſehr vorſehen, daß nicht das zuruͤckgebliebene Spectrum einer vorherge- henden Beobachtung ſich mit in eine folgende Beobach- tung miſche und dieſelbe verwirrt und unrein mache.
31.
Dieſe Erſcheinungen hat man ſich folgendermaßen zu erklaͤren geſucht. Der Ort der Retina, auf welchen das Bild des dunklen Kreuzes fiel, iſt als ausgeruht und empfaͤnglich anzuſehen. Auf ihn wirkt die maͤßig erhellte Flaͤche lebhafter, als auf die uͤbrigen Theile der Netzhaut, welche durch die Fenſterſcheiben das Licht em- pfingen, und nachdem ſie durch einen ſo viel ſtaͤrkern Reiz in Thaͤtigkeit geſetzt worden, die graue Flaͤche nur als dunkel gewahr werden.
32.
Dieſe Erklaͤrungsart ſcheint fuͤr den gegenwaͤrtigen Fall ziemlich hinreichend; in Betrachtung kuͤnftiger Er-
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[11/0065]
Pater Beccaria ſtellte einige Verſuche an uͤber die
Wetterelectricitaͤt, wobey er den papiernen Drachen in
die Hoͤhe ſteigen ließ. Es zeigte ſich um dieſe Maſchine
ein kleines glaͤnzendes Woͤlkchen von abwechſelnder Groͤße,
ja auch um einen Theil der Schnur. Es verſchwand zuwei-
len, und wenn der Drache ſich ſchneller bewegte, ſchien es
auf dem vorigen Platze einige Augenblicke hin und wie-
der zu ſchweben. Dieſe Erſcheinung, welche die dama-
ligen Beobachter nicht erklaͤren konnten, war das im Au-
ge zuruͤckgebliebene, gegen den hellen Himmel in ein hel-
les verwandelte Bild des dunkeln Drachen.
Bey optiſchen, beſonders chromatiſchen Verſuchen,
wo man oft mit blendenden Lichtern, ſie ſeyen farblos
oder farbig, zu thun hat, muß man ſich ſehr vorſehen,
daß nicht das zuruͤckgebliebene Spectrum einer vorherge-
henden Beobachtung ſich mit in eine folgende Beobach-
tung miſche und dieſelbe verwirrt und unrein mache.
31.
Dieſe Erſcheinungen hat man ſich folgendermaßen
zu erklaͤren geſucht. Der Ort der Retina, auf welchen
das Bild des dunklen Kreuzes fiel, iſt als ausgeruht
und empfaͤnglich anzuſehen. Auf ihn wirkt die maͤßig
erhellte Flaͤche lebhafter, als auf die uͤbrigen Theile der
Netzhaut, welche durch die Fenſterſcheiben das Licht em-
pfingen, und nachdem ſie durch einen ſo viel ſtaͤrkern
Reiz in Thaͤtigkeit geſetzt worden, die graue Flaͤche nur
als dunkel gewahr werden.
32.
Dieſe Erklaͤrungsart ſcheint fuͤr den gegenwaͤrtigen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/65>, abgerufen am 23.11.2024.
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