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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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25.

Diese Bilder verschwinden nach und nach, und zwar
indem sie sowohl an Deutlichkeit als an Größe verlieren.

26.

Sie nehmen von der Peripherie herein ab, und man
glaubt bemerkt zu haben, daß bey viereckten Bildern sich
nach und nach die Ecken abstumpfen, und zuletzt ein im-
mer kleineres rundes Bild vorschwebt.

27.

Ein solches Bild, dessen Eindruck nicht mehr be-
merklich ist, läßt sich auf der Retina gleichsam wieder
beleben, wenn wir die Augen öffnen und schließen und
mit Erregung und Schonung abwechseln.

28.

Daß Bilder sich bey Augenkrankheiten vierzehn bis
siebzehn Minuten, ja länger auf der Retina erhielten,
deutet auf äußerste Schwäche des Organs, auf dessen Un-
fähigkeit sich wieder herzustellen, so wie das Vorschwe-
ben leidenschaftlich geliebter oder verhaßter Gegenstände
aus dem Sinnlichen ins Geistige deutet.

29.

Blickt man, indessen der Eindruck obgedachten Fen-
sterbildes noch dauert, nach einer hellgrauen Fläche, so
erscheint das Kreuz hell und der Scheibenraum dunkel.
In jenem Falle (20) blieb der Zustand sich selbst gleich,
so daß auch der Eindruck identisch verharren konnte; hier

25.

Dieſe Bilder verſchwinden nach und nach, und zwar
indem ſie ſowohl an Deutlichkeit als an Groͤße verlieren.

26.

Sie nehmen von der Peripherie herein ab, und man
glaubt bemerkt zu haben, daß bey viereckten Bildern ſich
nach und nach die Ecken abſtumpfen, und zuletzt ein im-
mer kleineres rundes Bild vorſchwebt.

27.

Ein ſolches Bild, deſſen Eindruck nicht mehr be-
merklich iſt, laͤßt ſich auf der Retina gleichſam wieder
beleben, wenn wir die Augen oͤffnen und ſchließen und
mit Erregung und Schonung abwechſeln.

28.

Daß Bilder ſich bey Augenkrankheiten vierzehn bis
ſiebzehn Minuten, ja laͤnger auf der Retina erhielten,
deutet auf aͤußerſte Schwaͤche des Organs, auf deſſen Un-
faͤhigkeit ſich wieder herzuſtellen, ſo wie das Vorſchwe-
ben leidenſchaftlich geliebter oder verhaßter Gegenſtaͤnde
aus dem Sinnlichen ins Geiſtige deutet.

29.

Blickt man, indeſſen der Eindruck obgedachten Fen-
ſterbildes noch dauert, nach einer hellgrauen Flaͤche, ſo
erſcheint das Kreuz hell und der Scheibenraum dunkel.
In jenem Falle (20) blieb der Zuſtand ſich ſelbſt gleich,
ſo daß auch der Eindruck identiſch verharren konnte; hier

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[9/0063] 25. Dieſe Bilder verſchwinden nach und nach, und zwar indem ſie ſowohl an Deutlichkeit als an Groͤße verlieren. 26. Sie nehmen von der Peripherie herein ab, und man glaubt bemerkt zu haben, daß bey viereckten Bildern ſich nach und nach die Ecken abſtumpfen, und zuletzt ein im- mer kleineres rundes Bild vorſchwebt. 27. Ein ſolches Bild, deſſen Eindruck nicht mehr be- merklich iſt, laͤßt ſich auf der Retina gleichſam wieder beleben, wenn wir die Augen oͤffnen und ſchließen und mit Erregung und Schonung abwechſeln. 28. Daß Bilder ſich bey Augenkrankheiten vierzehn bis ſiebzehn Minuten, ja laͤnger auf der Retina erhielten, deutet auf aͤußerſte Schwaͤche des Organs, auf deſſen Un- faͤhigkeit ſich wieder herzuſtellen, ſo wie das Vorſchwe- ben leidenſchaftlich geliebter oder verhaßter Gegenſtaͤnde aus dem Sinnlichen ins Geiſtige deutet. 29. Blickt man, indeſſen der Eindruck obgedachten Fen- ſterbildes noch dauert, nach einer hellgrauen Flaͤche, ſo erſcheint das Kreuz hell und der Scheibenraum dunkel. In jenem Falle (20) blieb der Zuſtand ſich ſelbſt gleich, ſo daß auch der Eindruck identiſch verharren konnte; hier

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/63>, abgerufen am 28.04.2024.