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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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undeutlich ist, wie kann ein deutliches Abbild entste-
hen? Auch legt Newton, unsern angegebenen Bestim-
mungen gemäß, ein Bekenntniß ab, wodurch er, wie
öfters geschieht, das Resultat seines Versuches wieder
aufhebt. Denn ob er gleich zu Anfang versichert, er
habe sein Experiment im Sommer bey dem hellsten
Sonnenschein angestellt, so kommt er doch zuletzt mit
einer Nachklage und Entschuldigung, damit man sich
nicht wundern möge, wenn die Wiederholung des
Versuchs nicht sonderlich gelänge. Wir hören ihn
selbst:

177.

Das gefärbte Licht des Prismas war aber doch noch sehr
zusammengesetzt, weil die Kreise, die ich in der zweyten
Figur des fünften Experiments beschrieben habe, sich in ein-
ander schoben, und auch das Licht von glänzenden Wolken,
zunächst bey der Sonne, sich mit diesen Farben vermischte;
ferner weil das Licht durch die Ungleichheiten in der Politur
des Prismas unregelmäßig zersplittert wurde. Um aller die-
ser Nebenumstände willen war das farbige Licht, wie ich
sagte, noch so mannigfaltig zusammengesetzt, daß der
Schein von jenen schwachen und dunklen Farben, dem Blauen
und Violetten, der auf das Papier fiel, nicht so viel Deut-
lichkeit gewährte, um eine gute Beobachtung zuzulassen.

178.

Das Unheil solcher Reservationen und Restrictionen
geht durch das ganze Werk. Erst versichert der Ver-
fasser: er habe bey seinen Vorrichtungen die größte
Vorsicht gebraucht, die hellsten Tage abgewartet, die

undeutlich iſt, wie kann ein deutliches Abbild entſte-
hen? Auch legt Newton, unſern angegebenen Beſtim-
mungen gemaͤß, ein Bekenntniß ab, wodurch er, wie
oͤfters geſchieht, das Reſultat ſeines Verſuches wieder
aufhebt. Denn ob er gleich zu Anfang verſichert, er
habe ſein Experiment im Sommer bey dem hellſten
Sonnenſchein angeſtellt, ſo kommt er doch zuletzt mit
einer Nachklage und Entſchuldigung, damit man ſich
nicht wundern moͤge, wenn die Wiederholung des
Verſuchs nicht ſonderlich gelaͤnge. Wir hoͤren ihn
ſelbſt:

177.

Das gefaͤrbte Licht des Prismas war aber doch noch ſehr
zuſammengeſetzt, weil die Kreiſe, die ich in der zweyten
Figur des fuͤnften Experiments beſchrieben habe, ſich in ein-
ander ſchoben, und auch das Licht von glaͤnzenden Wolken,
zunaͤchſt bey der Sonne, ſich mit dieſen Farben vermiſchte;
ferner weil das Licht durch die Ungleichheiten in der Politur
des Prismas unregelmaͤßig zerſplittert wurde. Um aller die-
ſer Nebenumſtaͤnde willen war das farbige Licht, wie ich
ſagte, noch ſo mannigfaltig zuſammengeſetzt, daß der
Schein von jenen ſchwachen und dunklen Farben, dem Blauen
und Violetten, der auf das Papier fiel, nicht ſo viel Deut-
lichkeit gewaͤhrte, um eine gute Beobachtung zuzulaſſen.

178.

Das Unheil ſolcher Reſervationen und Reſtrictionen
geht durch das ganze Werk. Erſt verſichert der Ver-
faſſer: er habe bey ſeinen Vorrichtungen die groͤßte
Vorſicht gebraucht, die hellſten Tage abgewartet, die

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[458/0512] undeutlich iſt, wie kann ein deutliches Abbild entſte- hen? Auch legt Newton, unſern angegebenen Beſtim- mungen gemaͤß, ein Bekenntniß ab, wodurch er, wie oͤfters geſchieht, das Reſultat ſeines Verſuches wieder aufhebt. Denn ob er gleich zu Anfang verſichert, er habe ſein Experiment im Sommer bey dem hellſten Sonnenſchein angeſtellt, ſo kommt er doch zuletzt mit einer Nachklage und Entſchuldigung, damit man ſich nicht wundern moͤge, wenn die Wiederholung des Verſuchs nicht ſonderlich gelaͤnge. Wir hoͤren ihn ſelbſt: 177. Das gefaͤrbte Licht des Prismas war aber doch noch ſehr zuſammengeſetzt, weil die Kreiſe, die ich in der zweyten Figur des fuͤnften Experiments beſchrieben habe, ſich in ein- ander ſchoben, und auch das Licht von glaͤnzenden Wolken, zunaͤchſt bey der Sonne, ſich mit dieſen Farben vermiſchte; ferner weil das Licht durch die Ungleichheiten in der Politur des Prismas unregelmaͤßig zerſplittert wurde. Um aller die- ſer Nebenumſtaͤnde willen war das farbige Licht, wie ich ſagte, noch ſo mannigfaltig zuſammengeſetzt, daß der Schein von jenen ſchwachen und dunklen Farben, dem Blauen und Violetten, der auf das Papier fiel, nicht ſo viel Deut- lichkeit gewaͤhrte, um eine gute Beobachtung zuzulaſſen. 178. Das Unheil ſolcher Reſervationen und Reſtrictionen geht durch das ganze Werk. Erſt verſichert der Ver- faſſer: er habe bey ſeinen Vorrichtungen die groͤßte Vorſicht gebraucht, die hellſten Tage abgewartet, die

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/512>, abgerufen am 21.11.2024.