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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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rothe Rand keinesweges in der Maße nachfolgt, in
welcher der violette Saum vorausgeht; so ist es eigent-
lich dieser, der sich von jenem entfernt. Man messe das
ganze, durch das erste Prisma bewirkte Spectrum; es
habe z. B. drey Zoll, und die Mitte der gelbrothen
Farbe sey etwa von der Mitte der violetten um zwey
Zoll entfernt; man refrangire nun dieses ganze Spec-
trum abermals durch das zweyte Prisma, und es wird
eine Länge von etwa neun Zoll gewinnen. Daher
wird die Mitte der gelbrothen und violetten Farbe
auch viel weiter von einander abstehen, als vor-
her.

128.

Was von dem ganzen Bilde gilt, das gilt auch
von seinen Theilen. Man fange das durchs erste Pris-
ma hervorgebrachte farbige Bild mit einer durchlöcher-
ten Tafel auf, und lasse dann die aus verschiedenen
farbigen isolirten Bildern bestehende Erscheinung auf die
weiße Tafel fallen; so werden diese einzelnen Bilder,
welche ja nur ein unterbrochenes ganzes Spectrum sind,
den Platz einnehmen, den sie vorher in der Folge des
Ganzen behauptet hatten.

129.

Nun fange man dieses unterbrochene Bild gleich hin-
ter der durchlöcherten Tafel mit einem Prisma auf, und
refrangire es zum zweytenmal; so werden die einzelnen
Bilder, indem sie weiter in die Höhe steigen, ihre Di-
stanzen verändern, und besonders das Violette, als der

rothe Rand keinesweges in der Maße nachfolgt, in
welcher der violette Saum vorausgeht; ſo iſt es eigent-
lich dieſer, der ſich von jenem entfernt. Man meſſe das
ganze, durch das erſte Prisma bewirkte Spectrum; es
habe z. B. drey Zoll, und die Mitte der gelbrothen
Farbe ſey etwa von der Mitte der violetten um zwey
Zoll entfernt; man refrangire nun dieſes ganze Spec-
trum abermals durch das zweyte Prisma, und es wird
eine Laͤnge von etwa neun Zoll gewinnen. Daher
wird die Mitte der gelbrothen und violetten Farbe
auch viel weiter von einander abſtehen, als vor-
her.

128.

Was von dem ganzen Bilde gilt, das gilt auch
von ſeinen Theilen. Man fange das durchs erſte Pris-
ma hervorgebrachte farbige Bild mit einer durchloͤcher-
ten Tafel auf, und laſſe dann die aus verſchiedenen
farbigen iſolirten Bildern beſtehende Erſcheinung auf die
weiße Tafel fallen; ſo werden dieſe einzelnen Bilder,
welche ja nur ein unterbrochenes ganzes Spectrum ſind,
den Platz einnehmen, den ſie vorher in der Folge des
Ganzen behauptet hatten.

129.

Nun fange man dieſes unterbrochene Bild gleich hin-
ter der durchloͤcherten Tafel mit einem Prisma auf, und
refrangire es zum zweytenmal; ſo werden die einzelnen
Bilder, indem ſie weiter in die Hoͤhe ſteigen, ihre Di-
ſtanzen veraͤndern, und beſonders das Violette, als der

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[430/0484] rothe Rand keinesweges in der Maße nachfolgt, in welcher der violette Saum vorausgeht; ſo iſt es eigent- lich dieſer, der ſich von jenem entfernt. Man meſſe das ganze, durch das erſte Prisma bewirkte Spectrum; es habe z. B. drey Zoll, und die Mitte der gelbrothen Farbe ſey etwa von der Mitte der violetten um zwey Zoll entfernt; man refrangire nun dieſes ganze Spec- trum abermals durch das zweyte Prisma, und es wird eine Laͤnge von etwa neun Zoll gewinnen. Daher wird die Mitte der gelbrothen und violetten Farbe auch viel weiter von einander abſtehen, als vor- her. 128. Was von dem ganzen Bilde gilt, das gilt auch von ſeinen Theilen. Man fange das durchs erſte Pris- ma hervorgebrachte farbige Bild mit einer durchloͤcher- ten Tafel auf, und laſſe dann die aus verſchiedenen farbigen iſolirten Bildern beſtehende Erſcheinung auf die weiße Tafel fallen; ſo werden dieſe einzelnen Bilder, welche ja nur ein unterbrochenes ganzes Spectrum ſind, den Platz einnehmen, den ſie vorher in der Folge des Ganzen behauptet hatten. 129. Nun fange man dieſes unterbrochene Bild gleich hin- ter der durchloͤcherten Tafel mit einem Prisma auf, und refrangire es zum zweytenmal; ſo werden die einzelnen Bilder, indem ſie weiter in die Hoͤhe ſteigen, ihre Di- ſtanzen veraͤndern, und beſonders das Violette, als der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/484>, abgerufen am 20.05.2024.