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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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die Spitze, verschweigt seine Herkunft, hütet sich, ihn
von mehreren Seiten darzustellen, und überrascht den
unvorsichtigen Schüler, der wenn er einmal Beyfall ge-
geben, sich in dieser Schlinge gefangen hat, nicht mehr
weiß, wie er zurück soll.

Dagegen wird es demjenigen, der die wahren Ver-
hältnisse dieses ersten Versuchs einsieht, leicht seyn, sich
auch vor den übrigen Fesseln und Banden zu hüten,
und wenn sie ihm früher durch Ueberlieferung umge-
worfen worden, sie mit freudiger Energie abzuschütteln.


Erster Versuch.

34.

Ich nahm ein schwarzes länglichtes steifes Papier, das von
parallelen Seiten begränzt war, und theilte es durch eine per-
pendiculäre Linie, die von einer der längern Seiten zu der an-
dern reichte, in zwey gleiche Theile. Einen dieser Theile strich
ich mit einer rothen, den andern mit einer blauen Farbe an;
das Papier war sehr schwarz und die Farben stark und satt
aufgetragen, damit die Erscheinung desto lebhafter seyn
möchte.

35.

Daß hier das Papier schwarz seyn müsse, ist eine
ganz unnöthige Bedingung. Denn wenn das Blaue
und Rothe stark und dick genug aufgetragen ist, so
kann der Grund nicht mehr durchblicken, er sey von

die Spitze, verſchweigt ſeine Herkunft, huͤtet ſich, ihn
von mehreren Seiten darzuſtellen, und uͤberraſcht den
unvorſichtigen Schuͤler, der wenn er einmal Beyfall ge-
geben, ſich in dieſer Schlinge gefangen hat, nicht mehr
weiß, wie er zuruͤck ſoll.

Dagegen wird es demjenigen, der die wahren Ver-
haͤltniſſe dieſes erſten Verſuchs einſieht, leicht ſeyn, ſich
auch vor den uͤbrigen Feſſeln und Banden zu huͤten,
und wenn ſie ihm fruͤher durch Ueberlieferung umge-
worfen worden, ſie mit freudiger Energie abzuſchuͤtteln.


Erſter Verſuch.

34.

Ich nahm ein ſchwarzes laͤnglichtes ſteifes Papier, das von
parallelen Seiten begraͤnzt war, und theilte es durch eine per-
pendiculaͤre Linie, die von einer der laͤngern Seiten zu der an-
dern reichte, in zwey gleiche Theile. Einen dieſer Theile ſtrich
ich mit einer rothen, den andern mit einer blauen Farbe an;
das Papier war ſehr ſchwarz und die Farben ſtark und ſatt
aufgetragen, damit die Erſcheinung deſto lebhafter ſeyn
moͤchte.

35.

Daß hier das Papier ſchwarz ſeyn muͤſſe, iſt eine
ganz unnoͤthige Bedingung. Denn wenn das Blaue
und Rothe ſtark und dick genug aufgetragen iſt, ſo
kann der Grund nicht mehr durchblicken, er ſey von

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[376/0430] die Spitze, verſchweigt ſeine Herkunft, huͤtet ſich, ihn von mehreren Seiten darzuſtellen, und uͤberraſcht den unvorſichtigen Schuͤler, der wenn er einmal Beyfall ge- geben, ſich in dieſer Schlinge gefangen hat, nicht mehr weiß, wie er zuruͤck ſoll. Dagegen wird es demjenigen, der die wahren Ver- haͤltniſſe dieſes erſten Verſuchs einſieht, leicht ſeyn, ſich auch vor den uͤbrigen Feſſeln und Banden zu huͤten, und wenn ſie ihm fruͤher durch Ueberlieferung umge- worfen worden, ſie mit freudiger Energie abzuſchuͤtteln. Erſter Verſuch. 34. Ich nahm ein ſchwarzes laͤnglichtes ſteifes Papier, das von parallelen Seiten begraͤnzt war, und theilte es durch eine per- pendiculaͤre Linie, die von einer der laͤngern Seiten zu der an- dern reichte, in zwey gleiche Theile. Einen dieſer Theile ſtrich ich mit einer rothen, den andern mit einer blauen Farbe an; das Papier war ſehr ſchwarz und die Farben ſtark und ſatt aufgetragen, damit die Erſcheinung deſto lebhafter ſeyn moͤchte. 35. Daß hier das Papier ſchwarz ſeyn muͤſſe, iſt eine ganz unnoͤthige Bedingung. Denn wenn das Blaue und Rothe ſtark und dick genug aufgetragen iſt, ſo kann der Grund nicht mehr durchblicken, er ſey von

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/430>, abgerufen am 23.11.2024.