ken: Erstens daß ein Gegensatz hervortritt, wodurch die Einheit sich nach zwey Seiten hin manifestirt und dadurch großer Wirkungen fähig wird; Zweytens daß die Ent- wickelung des Unterschiedenen stätig in einer Reihe vor- geht. Ob jener erste Fall etwa bey den prismatischen Erscheinungen eintreten könne, davon hat Newton nicht die mindeste Vermuthung, ob ihn gleich das Phänomen oft genug zu dieser Auslegungsart hindrängt. Er be- stimmt sich vielmehr ohne Bedenken für den zweyten Fall. Es ist nicht nur eine diverse Refrangibilität, sondern sie wirkt auch
28.
gradweise -- Und so ist denn gleich ein auf- und aus einander folgendes Bild, eine Scala, ein aus verschiedenen Theilen, aber aus unendlichen bestehendes, in einander fließendes und doch separables, zugleich aber auch inseparables Bild fertig, ein Gespenst, das nun schon hundert Jahre die wissenschaftliche Welt in Ehr- furcht zu erhalten weiß.
29.
Sollte in jener Proposition etwas Erfahrungsge- mäßes ausgesprochen werden, so konnte es allenfalls heißen: Bilder, welche an Farbe verschieden sind, er- scheinen durch Refraction auf verschiedene Weise von der Stelle bewegt. Indem man sich dergestalt aus- drückte, spräche man denn doch das Phänomen des er- sten Versuchs allenfalls aus. Man könnte die Erschei- nung eine diverse Refraction nennen, und alsdann ge-
ken: Erſtens daß ein Gegenſatz hervortritt, wodurch die Einheit ſich nach zwey Seiten hin manifeſtirt und dadurch großer Wirkungen faͤhig wird; Zweytens daß die Ent- wickelung des Unterſchiedenen ſtaͤtig in einer Reihe vor- geht. Ob jener erſte Fall etwa bey den prismatiſchen Erſcheinungen eintreten koͤnne, davon hat Newton nicht die mindeſte Vermuthung, ob ihn gleich das Phaͤnomen oft genug zu dieſer Auslegungsart hindraͤngt. Er be- ſtimmt ſich vielmehr ohne Bedenken fuͤr den zweyten Fall. Es iſt nicht nur eine diverſe Refrangibilitaͤt, ſondern ſie wirkt auch
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gradweiſe — Und ſo iſt denn gleich ein auf- und aus einander folgendes Bild, eine Scala, ein aus verſchiedenen Theilen, aber aus unendlichen beſtehendes, in einander fließendes und doch ſeparables, zugleich aber auch inſeparables Bild fertig, ein Geſpenſt, das nun ſchon hundert Jahre die wiſſenſchaftliche Welt in Ehr- furcht zu erhalten weiß.
29.
Sollte in jener Propoſition etwas Erfahrungsge- maͤßes ausgeſprochen werden, ſo konnte es allenfalls heißen: Bilder, welche an Farbe verſchieden ſind, er- ſcheinen durch Refraction auf verſchiedene Weiſe von der Stelle bewegt. Indem man ſich dergeſtalt aus- druͤckte, ſpraͤche man denn doch das Phaͤnomen des er- ſten Verſuchs allenfalls aus. Man koͤnnte die Erſchei- nung eine diverſe Refraction nennen, und alsdann ge-
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ken: Erſtens daß ein Gegenſatz hervortritt, wodurch die
Einheit ſich nach zwey Seiten hin manifeſtirt und dadurch
großer Wirkungen faͤhig wird; Zweytens daß die Ent-
wickelung des Unterſchiedenen ſtaͤtig in einer Reihe vor-
geht. Ob jener erſte Fall etwa bey den prismatiſchen
Erſcheinungen eintreten koͤnne, davon hat Newton nicht
die mindeſte Vermuthung, ob ihn gleich das Phaͤnomen
oft genug zu dieſer Auslegungsart hindraͤngt. Er be-
ſtimmt ſich vielmehr ohne Bedenken fuͤr den zweyten
Fall. Es iſt nicht nur eine diverſe Refrangibilitaͤt,
ſondern ſie wirkt auch
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gradweiſe — Und ſo iſt denn gleich ein auf- und
aus einander folgendes Bild, eine Scala, ein aus
verſchiedenen Theilen, aber aus unendlichen beſtehendes,
in einander fließendes und doch ſeparables, zugleich aber
auch inſeparables Bild fertig, ein Geſpenſt, das nun
ſchon hundert Jahre die wiſſenſchaftliche Welt in Ehr-
furcht zu erhalten weiß.
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Sollte in jener Propoſition etwas Erfahrungsge-
maͤßes ausgeſprochen werden, ſo konnte es allenfalls
heißen: Bilder, welche an Farbe verſchieden ſind, er-
ſcheinen durch Refraction auf verſchiedene Weiſe von
der Stelle bewegt. Indem man ſich dergeſtalt aus-
druͤckte, ſpraͤche man denn doch das Phaͤnomen des er-
ſten Verſuchs allenfalls aus. Man koͤnnte die Erſchei-
nung eine diverſe Refraction nennen, und alsdann ge-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/426>, abgerufen am 21.11.2024.
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