Farbenphänomene in einer gewissen natürlichen Ver- knüpfung nach einander aufgeführt und sich dadurch in den Stand gesetzt hätte, eine künstliche und will- kührliche Stellung und Entstellung derselben an- schaulicher zu machen. Wir können uns nunmehr auf einen natürlichen Vortrag sogleich beziehen, und so in die größte Verwirrung und Verwicklung ein heilsames Licht verbreiten. Dieses ganz allein ist's, wodurch die Entscheidung eines Streites möglich wird, der schon über hundert Jahre dauert, und so oft er erneuert worden, von der triumphi- renden Schule als verwegen, frech, ja als lä- cherlich und abgeschmackt weggewiesen und unter- drückt wurde.
7.
Wie nun eine solche Hartnäckigkeit möglich war, wird sich unsern Lesern nach und nach aufklären. Newton hatte durch eine künstliche Methode seinem Werk ein dergestalt strenges An- sehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun- derten und Laien davor erstaunten. Hiezu kam noch der ehrwürdige Schein einer mathematischen Behandlung, womit er das Ganze aufzustutzen wußte.
Farbenphaͤnomene in einer gewiſſen natuͤrlichen Ver- knuͤpfung nach einander aufgefuͤhrt und ſich dadurch in den Stand geſetzt haͤtte, eine kuͤnſtliche und will- kuͤhrliche Stellung und Entſtellung derſelben an- ſchaulicher zu machen. Wir koͤnnen uns nunmehr auf einen natuͤrlichen Vortrag ſogleich beziehen, und ſo in die groͤßte Verwirrung und Verwicklung ein heilſames Licht verbreiten. Dieſes ganz allein iſt’s, wodurch die Entſcheidung eines Streites moͤglich wird, der ſchon uͤber hundert Jahre dauert, und ſo oft er erneuert worden, von der triumphi- renden Schule als verwegen, frech, ja als laͤ- cherlich und abgeſchmackt weggewieſen und unter- druͤckt wurde.
7.
Wie nun eine ſolche Hartnaͤckigkeit moͤglich war, wird ſich unſern Leſern nach und nach aufklaͤren. Newton hatte durch eine kuͤnſtliche Methode ſeinem Werk ein dergeſtalt ſtrenges An- ſehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun- derten und Laien davor erſtaunten. Hiezu kam noch der ehrwuͤrdige Schein einer mathematiſchen Behandlung, womit er das Ganze aufzuſtutzen wußte.
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Farbenphaͤnomene in einer gewiſſen natuͤrlichen Ver-
knuͤpfung nach einander aufgefuͤhrt und ſich dadurch
in den Stand geſetzt haͤtte, eine kuͤnſtliche und will-
kuͤhrliche Stellung und Entſtellung derſelben an-
ſchaulicher zu machen. Wir koͤnnen uns nunmehr
auf einen natuͤrlichen Vortrag ſogleich beziehen, und
ſo in die groͤßte Verwirrung und Verwicklung ein
heilſames Licht verbreiten. Dieſes ganz allein iſt’s,
wodurch die Entſcheidung eines Streites moͤglich
wird, der ſchon uͤber hundert Jahre dauert, und
ſo oft er erneuert worden, von der triumphi-
renden Schule als verwegen, frech, ja als laͤ-
cherlich und abgeſchmackt weggewieſen und unter-
druͤckt wurde.
7.
Wie nun eine ſolche Hartnaͤckigkeit moͤglich
war, wird ſich unſern Leſern nach und nach
aufklaͤren. Newton hatte durch eine kuͤnſtliche
Methode ſeinem Werk ein dergeſtalt ſtrenges An-
ſehn gegeben, daß Kenner der Form es bewun-
derten und Laien davor erſtaunten. Hiezu kam
noch der ehrwuͤrdige Schein einer mathematiſchen
Behandlung, womit er das Ganze aufzuſtutzen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/413>, abgerufen am 21.11.2024.
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