gen der einfacheren Natur auszudrücken. Astronomie, Kosmologie, Geologie, Naturgeschichte, ja Religion und Mystik werden zu Hülfe gerufen; und wie oft wird nicht das Allgemeine durch ein Besonderes, das Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt, und verdunkelt, als aufgehellt und näher gebracht. Wir kennen das Bedürfniß recht gut, wodurch eine solche Sprache entstanden ist und sich ausbreitet; wir wissen auch, daß sie sich in einem gewissen Sinne unent- behrlich macht: allein nur ein mäßiger, anspruchs- loser Gebrauch mit Ueberzeugung und Bewußtseyn kann Vortheil bringen.
755.
Am wünschenswerthesten wäre jedoch, daß man die Sprache, wodurch man die Einzelnheiten eines gewissen Kreises bezeichnen will, aus dem Kreise selbst nähme; die einfachste Erscheinung als Grundformel behandelte, und die mannigfaltigern von daher ableitete und entwickelte.
756.
Die Nothwendigkeit und Schicklichkeit einer sol- chen Zeichensprache, wo das Grundzeichen die Er- scheinung selbst ausdrückt, hat man recht gut gefühlt, indem man die Formel der Polarität, dem Magneten abgeborgt, auf Electricität u. s. w. hinüber geführt hat. Das Plus und Minus, was an dessen Stelle gesetzt werden kann, hat bey so vielen Phänomenen eine schickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkünstler ist, wahrscheinlich ohne sich um jene andern Fächer
gen der einfacheren Natur auszudruͤcken. Aſtronomie, Kosmologie, Geologie, Naturgeſchichte, ja Religion und Myſtik werden zu Huͤlfe gerufen; und wie oft wird nicht das Allgemeine durch ein Beſonderes, das Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt, und verdunkelt, als aufgehellt und naͤher gebracht. Wir kennen das Beduͤrfniß recht gut, wodurch eine ſolche Sprache entſtanden iſt und ſich ausbreitet; wir wiſſen auch, daß ſie ſich in einem gewiſſen Sinne unent- behrlich macht: allein nur ein maͤßiger, anſpruchs- loſer Gebrauch mit Ueberzeugung und Bewußtſeyn kann Vortheil bringen.
755.
Am wuͤnſchenswertheſten waͤre jedoch, daß man die Sprache, wodurch man die Einzelnheiten eines gewiſſen Kreiſes bezeichnen will, aus dem Kreiſe ſelbſt naͤhme; die einfachſte Erſcheinung als Grundformel behandelte, und die mannigfaltigern von daher ableitete und entwickelte.
756.
Die Nothwendigkeit und Schicklichkeit einer ſol- chen Zeichenſprache, wo das Grundzeichen die Er- ſcheinung ſelbſt ausdruͤckt, hat man recht gut gefuͤhlt, indem man die Formel der Polaritaͤt, dem Magneten abgeborgt, auf Electricitaͤt u. ſ. w. hinuͤber gefuͤhrt hat. Das Plus und Minus, was an deſſen Stelle geſetzt werden kann, hat bey ſo vielen Phaͤnomenen eine ſchickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkuͤnſtler iſt, wahrſcheinlich ohne ſich um jene andern Faͤcher
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0339"n="285"/>
gen der einfacheren Natur auszudruͤcken. Aſtronomie,<lb/>
Kosmologie, Geologie, Naturgeſchichte, ja Religion<lb/>
und Myſtik werden zu Huͤlfe gerufen; und wie oft<lb/>
wird nicht das Allgemeine durch ein Beſonderes, das<lb/>
Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt, und<lb/>
verdunkelt, als aufgehellt und naͤher gebracht. Wir<lb/>
kennen das Beduͤrfniß recht gut, wodurch eine ſolche<lb/>
Sprache entſtanden iſt und ſich ausbreitet; wir wiſſen<lb/>
auch, daß ſie ſich in einem gewiſſen Sinne unent-<lb/>
behrlich macht: allein nur ein maͤßiger, anſpruchs-<lb/>
loſer Gebrauch mit Ueberzeugung und Bewußtſeyn kann<lb/>
Vortheil bringen.</p></div><lb/><divn="4"><head>755.</head><lb/><p>Am wuͤnſchenswertheſten waͤre jedoch, daß man<lb/>
die Sprache, wodurch man die Einzelnheiten eines<lb/>
gewiſſen Kreiſes bezeichnen will, aus dem Kreiſe ſelbſt<lb/>
naͤhme; die einfachſte Erſcheinung als Grundformel<lb/>
behandelte, und die mannigfaltigern von daher ableitete<lb/>
und entwickelte.</p></div><lb/><divn="4"><head>756.</head><lb/><p>Die Nothwendigkeit und Schicklichkeit einer ſol-<lb/>
chen Zeichenſprache, wo das Grundzeichen die Er-<lb/>ſcheinung ſelbſt ausdruͤckt, hat man recht gut gefuͤhlt,<lb/>
indem man die Formel der Polaritaͤt, dem Magneten<lb/>
abgeborgt, auf Electricitaͤt u. ſ. w. hinuͤber gefuͤhrt<lb/>
hat. Das Plus und Minus, was an deſſen Stelle<lb/>
geſetzt werden kann, hat bey ſo vielen Phaͤnomenen<lb/>
eine ſchickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkuͤnſtler<lb/>
iſt, wahrſcheinlich ohne ſich um jene andern Faͤcher<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[285/0339]
gen der einfacheren Natur auszudruͤcken. Aſtronomie,
Kosmologie, Geologie, Naturgeſchichte, ja Religion
und Myſtik werden zu Huͤlfe gerufen; und wie oft
wird nicht das Allgemeine durch ein Beſonderes, das
Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt, und
verdunkelt, als aufgehellt und naͤher gebracht. Wir
kennen das Beduͤrfniß recht gut, wodurch eine ſolche
Sprache entſtanden iſt und ſich ausbreitet; wir wiſſen
auch, daß ſie ſich in einem gewiſſen Sinne unent-
behrlich macht: allein nur ein maͤßiger, anſpruchs-
loſer Gebrauch mit Ueberzeugung und Bewußtſeyn kann
Vortheil bringen.
755.
Am wuͤnſchenswertheſten waͤre jedoch, daß man
die Sprache, wodurch man die Einzelnheiten eines
gewiſſen Kreiſes bezeichnen will, aus dem Kreiſe ſelbſt
naͤhme; die einfachſte Erſcheinung als Grundformel
behandelte, und die mannigfaltigern von daher ableitete
und entwickelte.
756.
Die Nothwendigkeit und Schicklichkeit einer ſol-
chen Zeichenſprache, wo das Grundzeichen die Er-
ſcheinung ſelbſt ausdruͤckt, hat man recht gut gefuͤhlt,
indem man die Formel der Polaritaͤt, dem Magneten
abgeborgt, auf Electricitaͤt u. ſ. w. hinuͤber gefuͤhrt
hat. Das Plus und Minus, was an deſſen Stelle
geſetzt werden kann, hat bey ſo vielen Phaͤnomenen
eine ſchickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkuͤnſtler
iſt, wahrſcheinlich ohne ſich um jene andern Faͤcher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/339>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.