einigung fähig ist, oder eine ursprüngliche Einheit, die zur Entzweyung gelangen könne, andeuten, und sich auf eine solche Weise darstellen. Das Geeinte zu entzweyen, das Entzweyte zu einigen, ist das Leben der Natur; dieß ist die ewige Systole und Diastole, die ewige Synkrisis und Diakrisis, das Ein- und Ausathmen der Welt, in der wir leben, weben und sind.
740.
Daß dasjenige, was wir hier als Zahl, als Eins und Zwey aussprechen, ein höheres Geschäft sey, ver- steht sich von selbst; so wie die Erscheinung eines Drit- ten, Vierten sich ferner entwickelnden immer in einem höhern Sinne zu nehmen, besonders aber allen diesen Ausdrücken eine echte Anschauung unterzulegen ist.
741.
Das Eisen kennen wir als einen besondern von andern unterschiedenen Körper; aber es ist ein gleich- gültiges, uns nur in manchem Bezug und zu man- chem Gebrauch merkwürdiges Wesen. Wie wenig aber bedarf es, und die Gleichgültigkeit dieses Körpers ist aufgehoben. Eine Entzweyung geht vor, die, indem sie sich wieder zu vereinigen strebt und sich selbst auf- sucht, einen gleichsam magischen Bezug auf ihres Gleichen gewinnt, und diese Entzweyung, die doch nur wieder eine Vereinigung ist, durch ihr ganzes Geschlecht fortsetzt. Hier kennen wir das gleichgültige Wesen, das Eisen; wir sehen die Entzweyung an ihm entstehen, sich fortpflanzen und verschwinden, und
einigung faͤhig iſt, oder eine urſpruͤngliche Einheit, die zur Entzweyung gelangen koͤnne, andeuten, und ſich auf eine ſolche Weiſe darſtellen. Das Geeinte zu entzweyen, das Entzweyte zu einigen, iſt das Leben der Natur; dieß iſt die ewige Syſtole und Diaſtole, die ewige Synkriſis und Diakriſis, das Ein- und Ausathmen der Welt, in der wir leben, weben und ſind.
740.
Daß dasjenige, was wir hier als Zahl, als Eins und Zwey ausſprechen, ein hoͤheres Geſchaͤft ſey, ver- ſteht ſich von ſelbſt; ſo wie die Erſcheinung eines Drit- ten, Vierten ſich ferner entwickelnden immer in einem hoͤhern Sinne zu nehmen, beſonders aber allen dieſen Ausdruͤcken eine echte Anſchauung unterzulegen iſt.
741.
Das Eiſen kennen wir als einen beſondern von andern unterſchiedenen Koͤrper; aber es iſt ein gleich- guͤltiges, uns nur in manchem Bezug und zu man- chem Gebrauch merkwuͤrdiges Weſen. Wie wenig aber bedarf es, und die Gleichguͤltigkeit dieſes Koͤrpers iſt aufgehoben. Eine Entzweyung geht vor, die, indem ſie ſich wieder zu vereinigen ſtrebt und ſich ſelbſt auf- ſucht, einen gleichſam magiſchen Bezug auf ihres Gleichen gewinnt, und dieſe Entzweyung, die doch nur wieder eine Vereinigung iſt, durch ihr ganzes Geſchlecht fortſetzt. Hier kennen wir das gleichguͤltige Weſen, das Eiſen; wir ſehen die Entzweyung an ihm entſtehen, ſich fortpflanzen und verſchwinden, und
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einigung faͤhig iſt, oder eine urſpruͤngliche Einheit,
die zur Entzweyung gelangen koͤnne, andeuten, und
ſich auf eine ſolche Weiſe darſtellen. Das Geeinte zu
entzweyen, das Entzweyte zu einigen, iſt das Leben
der Natur; dieß iſt die ewige Syſtole und Diaſtole,
die ewige Synkriſis und Diakriſis, das Ein- und
Ausathmen der Welt, in der wir leben, weben und
ſind.
740.
Daß dasjenige, was wir hier als Zahl, als Eins
und Zwey ausſprechen, ein hoͤheres Geſchaͤft ſey, ver-
ſteht ſich von ſelbſt; ſo wie die Erſcheinung eines Drit-
ten, Vierten ſich ferner entwickelnden immer in einem
hoͤhern Sinne zu nehmen, beſonders aber allen dieſen
Ausdruͤcken eine echte Anſchauung unterzulegen iſt.
741.
Das Eiſen kennen wir als einen beſondern von
andern unterſchiedenen Koͤrper; aber es iſt ein gleich-
guͤltiges, uns nur in manchem Bezug und zu man-
chem Gebrauch merkwuͤrdiges Weſen. Wie wenig aber
bedarf es, und die Gleichguͤltigkeit dieſes Koͤrpers iſt
aufgehoben. Eine Entzweyung geht vor, die, indem
ſie ſich wieder zu vereinigen ſtrebt und ſich ſelbſt auf-
ſucht, einen gleichſam magiſchen Bezug auf ihres
Gleichen gewinnt, und dieſe Entzweyung, die doch
nur wieder eine Vereinigung iſt, durch ihr ganzes
Geſchlecht fortſetzt. Hier kennen wir das gleichguͤltige
Weſen, das Eiſen; wir ſehen die Entzweyung an
ihm entſtehen, ſich fortpflanzen und verſchwinden, und
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/331>, abgerufen am 21.11.2024.
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