zu sondern, und zu ordnen gesucht. Jetzt, da wir nicht mehr fürchten, sie zu vermischen, oder zu verwir- ren, können wir unternehmen, erstlich das Allgemeine, was sich von diesen Erscheinungen innerhalb des ge- schlossenen Kreises prädiciren läßt, anzugeben, zweytens, anzudeuten, wie sich dieser besondre Kreis an die übri- gen Glieder verwandter Naturerscheinungen anschließt und sich mit ihnen verkettet.
Wie leicht die Farbe entsteht.
690.
Wir haben beobachtet, daß die Farbe unter man- cherley Bedingungen sehr leicht und schnell entstehe. Die Empfindlichkeit des Auges gegen das Licht, die gesetzliche Gegenwirkung der Retina gegen dasselbe brin- gen augenblicklich ein leichtes Farbenspiel hervor. Je- des gemäßigte Licht kann als farbig angesehen werden, ja wir dürfen jedes Licht, insofern es gesehen wird, farbig nennen. Farbloses Licht, farblose Flächen sind gewissermaßen Abstractionen; in der Erfahrung wer- den wir sie kaum gewahr.
691.
Wenn das Licht einen farblosen Körper berührt, von ihm zurückprallt, an ihm her, durch ihn durch- geht, so erscheinen die Farben sogleich; nur müssen
zu ſondern, und zu ordnen geſucht. Jetzt, da wir nicht mehr fuͤrchten, ſie zu vermiſchen, oder zu verwir- ren, koͤnnen wir unternehmen, erſtlich das Allgemeine, was ſich von dieſen Erſcheinungen innerhalb des ge- ſchloſſenen Kreiſes praͤdiciren laͤßt, anzugeben, zweytens, anzudeuten, wie ſich dieſer beſondre Kreis an die uͤbri- gen Glieder verwandter Naturerſcheinungen anſchließt und ſich mit ihnen verkettet.
Wie leicht die Farbe entſteht.
690.
Wir haben beobachtet, daß die Farbe unter man- cherley Bedingungen ſehr leicht und ſchnell entſtehe. Die Empfindlichkeit des Auges gegen das Licht, die geſetzliche Gegenwirkung der Retina gegen daſſelbe brin- gen augenblicklich ein leichtes Farbenſpiel hervor. Je- des gemaͤßigte Licht kann als farbig angeſehen werden, ja wir duͤrfen jedes Licht, inſofern es geſehen wird, farbig nennen. Farbloſes Licht, farbloſe Flaͤchen ſind gewiſſermaßen Abſtractionen; in der Erfahrung wer- den wir ſie kaum gewahr.
691.
Wenn das Licht einen farbloſen Koͤrper beruͤhrt, von ihm zuruͤckprallt, an ihm her, durch ihn durch- geht, ſo erſcheinen die Farben ſogleich; nur muͤſſen
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zu ſondern, und zu ordnen geſucht. Jetzt, da wir
nicht mehr fuͤrchten, ſie zu vermiſchen, oder zu verwir-
ren, koͤnnen wir unternehmen, erſtlich das Allgemeine,
was ſich von dieſen Erſcheinungen innerhalb des ge-
ſchloſſenen Kreiſes praͤdiciren laͤßt, anzugeben, zweytens,
anzudeuten, wie ſich dieſer beſondre Kreis an die uͤbri-
gen Glieder verwandter Naturerſcheinungen anſchließt
und ſich mit ihnen verkettet.
Wie leicht die Farbe entſteht.
690.
Wir haben beobachtet, daß die Farbe unter man-
cherley Bedingungen ſehr leicht und ſchnell entſtehe.
Die Empfindlichkeit des Auges gegen das Licht, die
geſetzliche Gegenwirkung der Retina gegen daſſelbe brin-
gen augenblicklich ein leichtes Farbenſpiel hervor. Je-
des gemaͤßigte Licht kann als farbig angeſehen werden,
ja wir duͤrfen jedes Licht, inſofern es geſehen wird,
farbig nennen. Farbloſes Licht, farbloſe Flaͤchen ſind
gewiſſermaßen Abſtractionen; in der Erfahrung wer-
den wir ſie kaum gewahr.
691.
Wenn das Licht einen farbloſen Koͤrper beruͤhrt,
von ihm zuruͤckprallt, an ihm her, durch ihn durch-
geht, ſo erſcheinen die Farben ſogleich; nur muͤſſen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/310>, abgerufen am 21.11.2024.
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