mit trüben Mitteln hergeleitet; so zweifeln wir nicht, daß aufmerksame Naturfreunde immer weiter gehen und sich üben werden, die im Leben mannigfaltig vorkom- menden Erscheinungen auf eben diesem Wege abzuleiten und zu erklären; so wie wir hoffen können, daß die Naturforscher sich nach einem hinlänglichen Apparat um- sehen werden, um so bedeutende Erfahrungen den Wiß- begierigen vor Augen zu bringen.
174.
Ja wir möchten jene im Allgemeinen ausgespro- chene Haupterscheinung ein Grund- und Urphänomen nennen, und es sey uns erlaubt, hier, was wir dar- unter verstehen, sogleich beyzubringen.
175.
Das was wir in der Erfahrung gewahr werden, sind meistens nur Fälle, welche sich mit einiger Auf- merksamkeit unter allgemeine empirische Rubriken brin- gen lassen. Diese subordiniren sich abermals unter wis- senschaftliche Rubriken, welche weiter hinaufdeuten, wobey uns gewisse unerläßliche Bedingungen des Er- scheinenden näher bekannt werden. Von nun an fügt sich alles nach und nach unter höhere Regeln und Ge- setze, die sich aber nicht durch Worte und Hypothesen dem Verstande, sondern gleichfalls durch Phänomene dem Anschauen offenbaren. Wir nennen sie Urphäno- mene, weil nichts in der Erscheinung über ihnen liegt, sie aber dagegen völlig geeignet sind, daß man stufen- weise, wie wir vorhin hinaufgestiegen, von ihnen her-
mit truͤben Mitteln hergeleitet; ſo zweifeln wir nicht, daß aufmerkſame Naturfreunde immer weiter gehen und ſich uͤben werden, die im Leben mannigfaltig vorkom- menden Erſcheinungen auf eben dieſem Wege abzuleiten und zu erklaͤren; ſo wie wir hoffen koͤnnen, daß die Naturforſcher ſich nach einem hinlaͤnglichen Apparat um- ſehen werden, um ſo bedeutende Erfahrungen den Wiß- begierigen vor Augen zu bringen.
174.
Ja wir moͤchten jene im Allgemeinen ausgeſpro- chene Haupterſcheinung ein Grund- und Urphaͤnomen nennen, und es ſey uns erlaubt, hier, was wir dar- unter verſtehen, ſogleich beyzubringen.
175.
Das was wir in der Erfahrung gewahr werden, ſind meiſtens nur Faͤlle, welche ſich mit einiger Auf- merkſamkeit unter allgemeine empiriſche Rubriken brin- gen laſſen. Dieſe ſubordiniren ſich abermals unter wiſ- ſenſchaftliche Rubriken, welche weiter hinaufdeuten, wobey uns gewiſſe unerlaͤßliche Bedingungen des Er- ſcheinenden naͤher bekannt werden. Von nun an fuͤgt ſich alles nach und nach unter hoͤhere Regeln und Ge- ſetze, die ſich aber nicht durch Worte und Hypotheſen dem Verſtande, ſondern gleichfalls durch Phaͤnomene dem Anſchauen offenbaren. Wir nennen ſie Urphaͤno- mene, weil nichts in der Erſcheinung uͤber ihnen liegt, ſie aber dagegen voͤllig geeignet ſind, daß man ſtufen- weiſe, wie wir vorhin hinaufgeſtiegen, von ihnen her-
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mit truͤben Mitteln hergeleitet; ſo zweifeln wir nicht,
daß aufmerkſame Naturfreunde immer weiter gehen und
ſich uͤben werden, die im Leben mannigfaltig vorkom-
menden Erſcheinungen auf eben dieſem Wege abzuleiten
und zu erklaͤren; ſo wie wir hoffen koͤnnen, daß die
Naturforſcher ſich nach einem hinlaͤnglichen Apparat um-
ſehen werden, um ſo bedeutende Erfahrungen den Wiß-
begierigen vor Augen zu bringen.
174.
Ja wir moͤchten jene im Allgemeinen ausgeſpro-
chene Haupterſcheinung ein Grund- und Urphaͤnomen
nennen, und es ſey uns erlaubt, hier, was wir dar-
unter verſtehen, ſogleich beyzubringen.
175.
Das was wir in der Erfahrung gewahr werden,
ſind meiſtens nur Faͤlle, welche ſich mit einiger Auf-
merkſamkeit unter allgemeine empiriſche Rubriken brin-
gen laſſen. Dieſe ſubordiniren ſich abermals unter wiſ-
ſenſchaftliche Rubriken, welche weiter hinaufdeuten,
wobey uns gewiſſe unerlaͤßliche Bedingungen des Er-
ſcheinenden naͤher bekannt werden. Von nun an fuͤgt
ſich alles nach und nach unter hoͤhere Regeln und Ge-
ſetze, die ſich aber nicht durch Worte und Hypotheſen
dem Verſtande, ſondern gleichfalls durch Phaͤnomene
dem Anſchauen offenbaren. Wir nennen ſie Urphaͤno-
mene, weil nichts in der Erſcheinung uͤber ihnen liegt,
ſie aber dagegen voͤllig geeignet ſind, daß man ſtufen-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/120>, abgerufen am 21.11.2024.
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