die Theilnahme des Kaisers an ihrem Feste beglückt, versinkt in die tiefste Trauer.
Und so theilen wir immer die Gefühle grosser, durch den Despotismus wechsels- weise erhöhten und erniedrigten Völker. Nun bewundern wir auf welchen hohen Grad von Sicherheit und Wohlstand Abbas, als Selbst- und Alleinherrscher das Reich erhoben, und zugleich diesem Zustand eine solche Dauer verliehen, dass seiner Nach- fahren Schwäche, Thorheit, folgeloses Be- tragen erst nach neunzig Jahren, das Reich völlig zu Grunde richten konnten; dann aber müssen wir freylich die Kehrseite die- ses imposanten Bildes hervorwenden.
Da eine jede Alleinherrschaft allen Ein- fluss ablehnet und die Persönlichkeit des Regenten in grösster Sicherheit zu bewah- ren hat, so folgt hieraus, dass der Despot immerfort Verrath argwöhnen, überall Ge- fahr ahnden, auch Gewalt von allen Seiten befürchten müsse, weil er ja selbst nur durch Gewalt seinen erhabenen Posten be- hauptet. Eifersüchtig ist er daher auf je- den, der ausser ihm Ansehn und Vertrauen erweckt, glänzende Fertigkeiten zeigt, Schä-
die Theilnahme des Kaisers an ihrem Feste beglückt, versinkt in die tiefste Trauer.
Und so theilen wir immer die Gefühle groſser, durch den Despotismus wechsels- weise erhöhten und erniedrigten Völker. Nun bewundern wir auf welchen hohen Grad von Sicherheit und Wohlstand Abbas, als Selbst- und Alleinherrscher das Reich erhoben, und zugleich diesem Zustand eine solche Dauer verliehen, daſs seiner Nach- fahren Schwäche, Thorheit, folgeloses Be- tragen erst nach neunzig Jahren, das Reich völlig zu Grunde richten konnten; dann aber müssen wir freylich die Kehrseite die- ses imposanten Bildes hervorwenden.
Da eine jede Alleinherrschaft allen Ein- fluſs ablehnet und die Persönlichkeit des Regenten in gröſster Sicherheit zu bewah- ren hat, so folgt hieraus, daſs der Despot immerfort Verrath argwöhnen, überall Ge- fahr ahnden, auch Gewalt von allen Seiten befürchten müsse, weil er ja selbst nur durch Gewalt seinen erhabenen Posten be- hauptet. Eifersüchtig ist er daher auf je- den, der auſser ihm Ansehn und Vertrauen erweckt, glänzende Fertigkeiten zeigt, Schä-
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[484[486]/0496]
die Theilnahme des Kaisers an ihrem Feste
beglückt, versinkt in die tiefste Trauer.
Und so theilen wir immer die Gefühle
groſser, durch den Despotismus wechsels-
weise erhöhten und erniedrigten Völker.
Nun bewundern wir auf welchen hohen
Grad von Sicherheit und Wohlstand Abbas,
als Selbst- und Alleinherrscher das Reich
erhoben, und zugleich diesem Zustand eine
solche Dauer verliehen, daſs seiner Nach-
fahren Schwäche, Thorheit, folgeloses Be-
tragen erst nach neunzig Jahren, das Reich
völlig zu Grunde richten konnten; dann
aber müssen wir freylich die Kehrseite die-
ses imposanten Bildes hervorwenden.
Da eine jede Alleinherrschaft allen Ein-
fluſs ablehnet und die Persönlichkeit des
Regenten in gröſster Sicherheit zu bewah-
ren hat, so folgt hieraus, daſs der Despot
immerfort Verrath argwöhnen, überall Ge-
fahr ahnden, auch Gewalt von allen Seiten
befürchten müsse, weil er ja selbst nur
durch Gewalt seinen erhabenen Posten be-
hauptet. Eifersüchtig ist er daher auf je-
den, der auſser ihm Ansehn und Vertrauen
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 484[486]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/496>, abgerufen am 22.11.2024.
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