Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.An Hafis. Was alle wollen weisst du schon Und hast es wohl verstanden: Denn Sehnsucht hält, von Staub zu Thron, Uns all' in strengen Banden. Es thut so weh, so wohl hernach, Wer sträubte sich dagegen? Und wenn den Hals der eine brach, Der andre bliebt verwegen. Verzeihe Meister, wie du weisst Dass ich mich oft vermesse, Wenn sie das Auge nach sich reisst Die wandelnde Cypresse. Wie Wurzelfasern schleicht ihr Fuss Und buhlet mit dem Boden; Wie leicht Gewölk verschmilzt ihr Gruss Wie Ost-Gekos ihr Oden. Das alles drängt uns ahndevoll, Wo Lock' an Locke kräuselt, In brauner Fülle ringelnd schwoll, So dann im Winde säuselt. An Hafis. Was alle wollen weiſst du schon Und hast es wohl verstanden: Denn Sehnsucht hält, von Staub zu Thron, Uns all’ in strengen Banden. Es thut so weh, so wohl hernach, Wer sträubte sich dagegen? Und wenn den Hals der eine brach, Der andre bliebt verwegen. Verzeihe Meister, wie du weiſst Daſs ich mich oft vermesse, Wenn sie das Auge nach sich reiſst Die wandelnde Cypresse. Wie Wurzelfasern schleicht ihr Fuſs Und buhlet mit dem Boden; Wie leicht Gewölk verschmilzt ihr Gruſs Wie Ost-Gekos ihr Oden. Das alles drängt uns ahndevoll, Wo Lock’ an Locke kräuselt, In brauner Fülle ringelnd schwoll, So dann im Winde säuselt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0410" n="400"/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">An Hafis</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg n="1"> <l>Was alle wollen weiſst du schon</l><lb/> <l>Und hast es wohl verstanden:</l><lb/> <l>Denn Sehnsucht hält, von Staub zu Thron,</l><lb/> <l>Uns all’ in strengen Banden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Es thut so weh, so wohl hernach,</l><lb/> <l>Wer sträubte sich dagegen?</l><lb/> <l>Und wenn den Hals der eine brach,</l><lb/> <l>Der andre bliebt verwegen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Verzeihe Meister, wie du weiſst</l><lb/> <l>Daſs ich mich oft vermesse,</l><lb/> <l>Wenn sie das Auge nach sich reiſst</l><lb/> <l>Die wandelnde Cypresse.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wie Wurzelfasern schleicht ihr Fuſs</l><lb/> <l>Und buhlet mit dem Boden;</l><lb/> <l>Wie leicht Gewölk verschmilzt ihr Gruſs</l><lb/> <l>Wie Ost-Gekos ihr Oden.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Das alles drängt uns ahndevoll,</l><lb/> <l>Wo Lock’ an Locke kräuselt,</l><lb/> <l>In brauner Fülle ringelnd schwoll,</l><lb/> <l>So dann im Winde säuselt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [400/0410]
An Hafis.
Was alle wollen weiſst du schon
Und hast es wohl verstanden:
Denn Sehnsucht hält, von Staub zu Thron,
Uns all’ in strengen Banden.
Es thut so weh, so wohl hernach,
Wer sträubte sich dagegen?
Und wenn den Hals der eine brach,
Der andre bliebt verwegen.
Verzeihe Meister, wie du weiſst
Daſs ich mich oft vermesse,
Wenn sie das Auge nach sich reiſst
Die wandelnde Cypresse.
Wie Wurzelfasern schleicht ihr Fuſs
Und buhlet mit dem Boden;
Wie leicht Gewölk verschmilzt ihr Gruſs
Wie Ost-Gekos ihr Oden.
Das alles drängt uns ahndevoll,
Wo Lock’ an Locke kräuselt,
In brauner Fülle ringelnd schwoll,
So dann im Winde säuselt.
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