allen etwas abzugewinnen weiss. Er fühlt die Nothwendigkeit sich zu sammeln, über- zeugt sich von der Pflicht zu belehren, und so ist er uns Westländern zuerst fruchtbar und segenreich geworden.
Hafis, ein grosses heiteres Talent, das sich begnügt, alles abzuweisen wonach die Menschen begehren, Alles bey Seite zu schieben was sie nicht entbehren mögen, und dabey immer als lustiger Bruder ihres Gleichen erscheint. Er lässt sich nur in seinem National- und Zeitkreise richtig an- erkennen. Sobald man ihn aber gefasst hat, bleibt er ein lieblicher Lebensgeleiter. Wie ihn denn auch noch jetzt, unbewusst mehr als bewusst, Kameel- und Maulthier-Trei- ber fortsingen, keineswegs um des Sinnes halben, den er selbst muthwillig zerstü- ckelt, sondern der Stimmung wegen, die er ewig rein und erfreulich verbreitet. Wer konnte denn nun auf diesen folgen da alles andere von den Vorgängern wegge- nommen war? als
Dschami, allem gewachsen was vor ihm geschehen und neben ihm geschah; wie er nun diess alles zusammen in Garben band,
21 *
allen etwas abzugewinnen weiſs. Er fühlt die Nothwendigkeit sich zu sammeln, über- zeugt sich von der Pflicht zu belehren, und so ist er uns Westländern zuerst fruchtbar und segenreich geworden.
Hafis, ein groſses heiteres Talent, das sich begnügt, alles abzuweisen wonach die Menschen begehren, Alles bey Seite zu schieben was sie nicht entbehren mögen, und dabey immer als lustiger Bruder ihres Gleichen erscheint. Er läſst sich nur in seinem National- und Zeitkreise richtig an- erkennen. Sobald man ihn aber gefaſst hat, bleibt er ein lieblicher Lebensgeleiter. Wie ihn denn auch noch jetzt, unbewuſst mehr als bewuſst, Kameel- und Maulthier-Trei- ber fortsingen, keineswegs um des Sinnes halben, den er selbst muthwillig zerstü- ckelt, sondern der Stimmung wegen, die er ewig rein und erfreulich verbreitet. Wer konnte denn nun auf diesen folgen da alles andere von den Vorgängern wegge- nommen war? als
Dschami, allem gewachsen was vor ihm geschehen und neben ihm geschah; wie er nun dieſs alles zusammen in Garben band,
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allen etwas abzugewinnen weiſs. Er fühlt
die Nothwendigkeit sich zu sammeln, über-
zeugt sich von der Pflicht zu belehren, und
so ist er uns Westländern zuerst fruchtbar
und segenreich geworden.
Hafis, ein groſses heiteres Talent,
das sich begnügt, alles abzuweisen wonach
die Menschen begehren, Alles bey Seite zu
schieben was sie nicht entbehren mögen,
und dabey immer als lustiger Bruder ihres
Gleichen erscheint. Er läſst sich nur in
seinem National- und Zeitkreise richtig an-
erkennen. Sobald man ihn aber gefaſst hat,
bleibt er ein lieblicher Lebensgeleiter. Wie
ihn denn auch noch jetzt, unbewuſst mehr
als bewuſst, Kameel- und Maulthier-Trei-
ber fortsingen, keineswegs um des Sinnes
halben, den er selbst muthwillig zerstü-
ckelt, sondern der Stimmung wegen, die
er ewig rein und erfreulich verbreitet. Wer
konnte denn nun auf diesen folgen da
alles andere von den Vorgängern wegge-
nommen war? als
Dschami, allem gewachsen was vor
ihm geschehen und neben ihm geschah; wie
er nun dieſs alles zusammen in Garben band,
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/333>, abgerufen am 22.12.2024.
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